Wiebke Ankersen:
Staatliche Quoten gehen an Symptome, aber nicht an die Ursachen. Dieses Gesetz kann man eher als symbolischen Meilenstein ansehen. Eine öffentliche Anerkennung der Tatsache, dass wir da dringenden Handlungsbedarf haben.
Karin Dohm:
Für mich ist es mehr ein Mittel zum Zweck und relativ klein in der Wirkung, da es nur wenige Unternehmen betrifft. Ich halte es aber auch für einen Weckruf. Das Wichtige daran ist die Nachricht in die Vorstände, mehr noch in die Aufsichtsräte, dass man bitte das gesamte Thema gezielter angehen möge. Zumal die 2011 unterzeichnete Selbstverpflichtung eher wirkungslos geblieben ist.
Susanne Jäger:
Ich finde die Quoten-Regelung schwierig, denn dadurch wird etwas erzwungen, was eigentlich auf anderem Wege passieren müsste. Ich selbst möchte auch nicht als Quotenfrau bezeichnet werden.
KD: Es gibt Untersuchungen, die zeigen, dass sich die Wahrnehmung erst ab einer bestimmten Schwelle verändert, wenn es etwa 30 Prozent Frauen im Vorstand oder im Aufsichtsrat gibt. Bis dahin sehe ich stets eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass frau in irgendeiner Form gelabelt wird. Im Übrigen gibt es ja auch Männer, die in eine gewisse Position kommen, da sie das passende Netzwerk haben oder bestimmte Bereiche des Unternehmens repräsentieren.
WA: Wir schauen uns immer an, wie für die Vorstände rekrutiert wird. Auf dieser Hierarchie-Ebene gibt es ja nicht mehr allzu viele objektivierende Auswahlkriterien, kein Assessment-Center, meistens auch keine Stellenbeschreibung. Das heißt, da kommt viel Bauchgefühl ins Spiel. Die Passgenauigkeit des Kandidaten aus Sicht des Aufsichtsratsvorsitzenden und Vorstandsvorsitzenden entscheidet. Da entsteht der sogenannte Thomas-Kreislauf.
Es gab bis vor Kurzem mehr Thomasse und Michaels in den Vorständen deutscher Unternehmen als Frauen. Ihr Hintergrund ist oft identisch: Sie sind Mitte Fünfzig, westdeutsch, Wirtschaftswissenschaftler oder Ingenieure. Das heißt: Männer mit einem bestimmten Hintergrund rekrutieren Männer, die einen ähnlichen Hintergrund haben, weil sie ihnen am ehesten zutrauen, diesen Job zu machen.
Und bei den Frauen fehlt sehr oft das weibliche Pendant dazu. Dafür sind sie noch zu exotisch. Das hat bei der Rekrutierung den Effekt, dass bei den Frauen immer eine größere Unsicherheit besteht. Dass es als riskanter wahrgenommen wird, weil es noch so ungewohnt ist. Das ändert sich erst, wenn diese kritische Masse von 30 Prozent erreicht ist. Dann können die Frauen einfach Top-Führungskräfte sein und nicht immer in erster Linie Frau. Das ist auch eine große Bürde:
Die Frauen sind wahnsinnig sichtbar, es wird genau geguckt, was sie tun. Und wenn sie scheitern,dann scheitern sie immer auch als Frau.
SJ: Wir haben das auch schon in unserer Branche erlebt, bei Kingfisher zum Beispiel. Als Veronique Laury (Anm.:CEO 2015–2019) gegangen ist, gab es eine hohe Aufmerksamkeit. Beim Wechsel eines männlichen Vorstandsmitglieds ist die Resonanz aus meiner Sicht meist nicht so groß. Als Frau steht man ganz anders im Fokus.
Susanne Jäger, seit 2006 im Vorstand der HORNBACH Baumarkt AG u.a. für das Merchandising verantwortlich, ist die Frau mit der längsten Verweildauer im Vorstand eines deutschen börsennotierten Konzerns
WA: Man kann als Unternehmen ein Stück weit zu dieser Entwicklung beitragen, indem man bestimmte Anreize setzt. Ikea hat zum Beispiel auch in Deutschland auf allen Ebenen 50 Prozent Frauen, bis hinein in die Geschäftsführung.
Und die sagen ganz klar: Wenn wir wollen, dass sich Karrierewege auch dann ähnlich entwickeln, wenn Kinder ins Spiel kommen, dann müssen wir zwei Sachen machen: Wir müssen die Frauen früher aus der Elternzeit zurücklocken, mit einem attraktiven Angebot, mit dem wir ihnen entgegenkommen.
Also etwa bei Führungskräften aktiv nachfragen: Wie müsste die Position aussehen, damit Du sie mit Kind machen kannst?
Und auf der anderen Seite sprechen sie mit den Männern, wenn diese Vater werden. Sie setzen sich mit denen zusammen bevor das Kind kommt und fragen: Wie willst du es denn machen? Wie lange gehst du denn in Elternzeit? Wir unterstützen es, wenn du die Hälfte nimmst, deinen fairen Anteil.
Karin Dohm, seit 2021 CFO der HORNBACH Baumarkt AG und der HORNBACH Management AG, war zuvor neun Jahre in internationalen Führungspositionen bei der Deutschen Bank tätig. Davor war sie 14 Jahre bei Deloitte.
SJ: Mein Eindruck ist, dass wir das Mutmachen bei HORNBACH insgesamt gesehen gut drauf haben. Ich bin immer gefördert und gefordert worden. Beim Eintritt in den Vorstand 2006 hat mich der damalige Aufsichtsratsvorsitzende sehr bestärkt. Er hat auf meine bisherigen Leistungen verwiesen und ganz klar gemacht, dass er keinen Zweifel daran hat, dass ich auch im Vorstand meinen Weg erfolgreich weitergehen werde.
Das hat gutgetan. Aber auf der anderen Seite weiß ich, dass es auch bei uns im Unternehmen in der Vergangenheit Diskussionen gegeben hat, ob schwangere Kolleginnen ihre Führungspositionen bei einer Rückkehr behalten können. Und da denke ich, müssen wir die Frage genau umgekehrt stellen: Was können wir als Unternehmen tun, damit es geht?
KD: Das sind zwei entscheidende Punkte: Einmal, dass Frauen bewusster auf neue Felder im Unternehmen gehen. Raus aus der Komfortzone und rein in ein Wachstumsfeld, wo man etwas gestalten kann und sichtbar ist. Und der zweite Punkt ist das Finden eines Sponsors, der einen mitzieht, für interessante Rollen vorschlägt und für Wind unter den Flügeln sorgt. Die aktive Suche nach solch einem Förderer oder einer Förderin ist in meiner Wahrnehmung bei Frauen noch weniger entwickelt als bei Männern.
WA: Das Commitment im Vorstand ist enorm wichtig. Die klare Botschaft, dass man zum Wohle des Unternehmens eine Veränderung erreichen will. Und für die braucht es natürlich eine entsprechende Zielsetzung, möglichst ambitioniert formuliert.
Die Deutsche Bahn hat beispielsweise aktuell einen Frauenanteil von 21 Prozent und hat sich vorgenommen, 30 Prozent zu erreichen bis 2024. Die Botschaft nach innen ist klar: Jede Führungskraft muss schauen, was sie in ihrem Bereich dafür tun kann. Das muss aber auch von der Unternehmensspitze vorgelebt werden. Sonst wird es intern nicht ernst genommen und alle machen weiter wie bisher.
*Die gesetzliche Quote. Das im Deutschen Bundestag verabschiedete Gesetz sieht vor, dass in Vorständen börsennotierter und paritätisch mitbestimmter Unternehmen mit mehr als 2000 Beschäftigten und mit mehr als drei Vorstandsmitgliedern mindestens eine Frau sitzen muss.Außerdem müssen Firmenkünftig speziell begründen, wenn sie den Vorstand, die beiden obersten Führungsebenen unterhalb des Vorstands und den Aufsichtsrat ohne Frauen planen.