„Frau Hieke, Greenpeace ist kürzlich aus dem FSC ausgestiegen. Für die einen überraschend, für die anderen feige. Was haben Sie sich dabei gedacht?“
Sandra Hieke: Dass der Entschluss feige ist, ist mir bisher noch nicht untergekommen. Eigentlich eher das Gegenteil. Für uns war das keine leichte Entscheidung. Wir haben mit dem FSC seit vielen Jahren über die Probleme beim FSC geredet, die uns sehr am Herzen liegen: Der Schutz von Urwäldern, die sehr unterschiedliche Umsetzung der FSC-Prinzipien und Standards, vor allem in Hochrisikogebieten, Transparenz, außerdem das Thema Controlled Wood und das FSC-Mix-Label.
Und wie ist es beim FSC angekommen? Überrascht?
Uwe Sayer: Eigentlich würde ich sagen, es ist mutig. Aber es ist trotzdem nicht der richtige Schritt. Ich respektiere, dass es Greenpeace an manchen Stellen nicht schnell genug geht oder weit genug oder dass Greenpeace glaubt, wir verfolgen falsche Ansätze. Ich verstehe insbesondere, wenn Greenpeace sagt, dass wir in einer Welt von Überkonsum leben und weniger konsumieren müssen. Der eigentliche Schaden ist, dass jetzt innerhalb unserer Community auf einmal Akteure auftauchen, die sagen „Ach, gut dass die endlich weg sind.“ Dem FSC fehlt dabei eine starke Position, die wir nun aus der Mitte heraus besetzen müssen. Ich hätte mir gewünscht, dass wir einen Weg finden, der es Greenpeace erlaubt, noch Teil dieses Systems zu bleiben und gleichzeitig den Druck innerhalb der Community des FSC aufrecht erhält. Ohne Greenpeace wird für manche Akteure das Leben nun einfacher. Das bedaure ich sehr.
Andreas Back: Für manche ist das bestimmt gut. Für uns, die wir jetzt schon seit knapp 20 Jahren das System FSC unterstützen, war der Ausstieg von Greenpeace ein Schlag. Weil einer der größten Kritiker innerhalb des Systems sich jetzt vermeintlich aus der Diskussion herauszieht. Wir sind Teil des FSCs, weil wir die weltweite nachhaltige Forstwirtschaft etablieren und somit auch die Risiken in unserer Bezugskette minimieren wollen. Durch den Austritt von Greenpeace wird das System FSC nun geschwächt. Deshalb hoffen wir, dass sie bald wieder an Bord sind. Klingt nicht nach einer typischen Position der Wirtschaftskammer. Mag sein. Aber das macht es ja letztlich aus innerhalb des FSC, dass man drei gleichberechtigte Kammern hat. Man muss einen Konsens finden. Aber es muss eben eine Entscheidung sein, die alle mittragen können. Und jetzt fehlt eine wichtige Stimme.
Sandra Hieke: Das ist spannend zu hören. Denn ich glaube, alle, die sich ernsthaft mit Greenpeace und der Rolle von Greenpeace innerhalb des FSC auseinandergesetzt haben, denen ist klar, dass die Nichterneuerung der Mitgliedschaft beim FSC International nicht das Ziel hat, den FSC zu schwächen. Im Gegenteil hoffen wir, dass der FSC wieder stärker wird. Denn der FSC ist international nach wie vor das beste Zertifizierungssystem, das es gibt. Dadurch, dass wir unsere Mitgliedschaft nicht erneuert haben, unterstützen wir jetzt auch kein anderes Zertifikat, das ist auch ganz klar. Spannend finde ich auch, dass hier deutlich wird, dass man sich über viele Jahre auf Greenpeace verlassen konnte. Nach dem Motto: Greenpeace wird das Kind schon beim Namen nennen.
Herr Sayer, wie stehen Sie zum Thema?
Uwe Sayer: Greenpeace war jetzt auch nicht das einfachste Mitglied innerhalb unserer Community. Mit einer ganz klaren Linie und sehr wenig Raum für Alternativen oder Kompromisse. Und wenn dann die Konsequenz ist, dass ein Mitglied sagt, entweder alle schließen sich meiner Position an oder ich gehe, dann ist ein Austritt nur konsequent.
Sandra Hieke: Es stimmt, dass wir unseren Positionen, zumindest zum aller-aller-überwiegenden Teil, treu geblieben sind. Aber wir sind auch Kompromisse innerhalb des FSC eingegangen, wofür wir bis an unsere Schmerzgrenze gegangen sind. Und irgendwann kam der Punkt, an dem für uns klar war: Wir müssen unsere Glaubwürdigkeit bewahren und können das nicht länger mittragen.
Uwe Sayer: Das ist absolut nachvollziehbar. Aber unser Ziel ist, Lösungen für den Handel und für den Verbraucher anzubieten. Und diese Lösungen, die beinhalten manchmal Ansätze, die man aus unserer Kultur heraus vielleicht nicht versteht, nicht mag, oder als nicht schnell genug empfindet. Unser Ziel heißt: „Es muss eine Lösung geben.“ Wenn wir zum Beispiel nicht in den Kongo gehen, wer dann ? Ist ein Nutzungsboykott wirklich die Lösung!? Das bezweifle ich.
Personen
Sandra Hieke…
…hat in Freiburg Diplom-Forstwirtschaft studiert. Sie arbeitet seit 2000 bei Greenpeace und entwickelte unter anderem öffentlichkeitswirksame Kampagnen zum Schutz und Erhalt der Wälder weltweit. Vor kurzem hat sie die internationale Projektleitung für die nordischen Wälder übernommen.
Dr. Uwe Sayer…
…ist seit 18 Jahren Geschäftsführer des FSC Deutschland. Dabei arbeitet er u.a. an der Sicherstellung eines glaubwürdigen Waldstandards in Deutschland. Er ist studierter Forstwirt und hat mit Schwerpunkt Vegetationsökologie promoviert.
Andreas Back…
…ist seit mehr als 20 Jahren bei HORNBACH tätig und kümmert sich seit vielen Jahren um die Themen Qualitätsmanagement, Umweltfragen und soziale Verantwortung im Konzern. Hierzu zählt auch die Holz-Zertifizierung und die Zusammenarbeit für und im FSC.