Im Fram Museum in Oslo können Besucher bewundern, was heute als erster Einsatz der Passivbauweise gilt: das Polarschiff Fram. Als der Norweger Fridtjof Nansen 1893 damit in Richtung Nordpol aufbrach, dürfte er sich für die Expedition gut gerüstet gefühlt haben: Im Gegensatz zu anderen Forschungsschiffen, die oft nicht von ihrer Reise in die Arktis zurückgekehrt waren, war die Fram so konstruiert, dass sie im Packeis treiben konnte. Im Inneren des Schiffs richtete Nansen behagliche Unterkünfte für die Mannschaft ein, wie das Fram Museum zeigt: Die Außenhülle war mit einer Mischung aus Pech, Teer und Sägemehl mehrfach gedämmt. An der Außenseite des Schiffes waren die Spanten mit zwei Schichten Eichenholz bedeckt, an der Innenseite mit Kiefer. In den Wohnräumen wurden die Planken zusätzlich mit geteertem Filz gedeckt, auf dem wiederum drei Lagen Holzvertäfelung mit dazwischenliegender Isolierung angebracht wurden.
Die Fram wird heute als Vorreiter für die Passivbauweise bezeichnet, da sie bereits viele der dafür charakteristischen Eigenschaften aufwies. Ein Passivhaus muss zwar nicht im arktischen Meer driften, seine Außenhülle ist mit der des Polarschiffes aber durchaus vergleichbar. „Besondere Fenster und eine Hülle aus hochwirksamer Wärmedämmung in Außenwänden, Dach und Bodenplatte halten die Wärme schützend im Haus“, fasst das Passivhaus Institut Darmstadt die wesentlichen Merkmale zusammen. „Das Passivhaus nutzt die in seinem Inneren vorhandenen Energiequellen wie die Körperwärme von Personen oder einfallende Sonnenwärme – die Heizung wird dadurch grundlegend vereinfacht.“
Die Frischluftzufuhr erfolgt über eine Lüftungsanlage: Frische Luft von außen wird kontrolliert zu- und verbrauchte Luft von innen abgeführt, wobei die Wärme der Abluft wiederum zurückgewonnen wird. Durch diese Maßnahmen verbraucht ein Passivhaus laut Berechnungen des Passivhaus Instituts Darmstadt deutlich weniger Heizwärme: bis zu 90 % gegenüber einem konventionellen Gebäude aus dem Baubestand und bis zu 75 % gegenüber einem Neubau nach heutigen Energiestandards.
Aufwändige Planung und Ausführung erhöhen Baukosten
Demgegenüber stehen jedoch die Nachteile der Passivbauweise, die sich vor allem in den höheren Baukosten zeigen: Ein Passivhaus-Neubau kostet circa 10 % mehr als ein regulärer Bau. Dabei schlägt auch die aufwendige Planung zu Buche: „Um Wärmebrücken in der Außenhülle zu verhindern und eine sehr hohe Luftdichtigkeit des Gebäudes zu erreichen, müssen alle Bauteilanschlüsse detailliert geplant werden“, erläutert Roland Träger. Der Architekt und Geschäftsführer der Träger Architekten GmbH ist Spezialist für die energetische Gebäudesanierung. Seit einigen Jahren unterstützt er die HORNBACH Baustoff Union (HBU) dabei, die Energieeffizienz der Niederlassungen zu verbessern. Er hebt hervor: „Auf der Baustelle ist unbedingt auf eine korrekte Ausführung der Baupläne zu achten.“ Denn Mängel in der luftdichten Außenhülle können zu Schäden durch Feuchtigkeit und Schimmelbildung führen.
Trotzdem: Die Passivbauweise kann sowohl für Privat- als auch für Bürogebäude sinnvoll sein – aus ökologischer und wirtschaftlicher Sicht. Doch lässt sich das Passivhaus-Prinzip auch auf große Einzelhandelsimmobilien wie beispielsweise Baumärkte übertragen? Bei HORNBACH leitet Bernd Wambsganß das Team Bauwesen. „Warehouse-Stores, wie unsere Märkte, zeichnet die kosten-nutzeneffiziente Hallenbauweise aus“, erklärt der Experte. „Im Vergleich zu Büro- und Privatgebäuden weisen sie zwangsläufig Elemente auf, die kritisch sind, wenn man in Passivbauweise bauen will. Die großen Sektionaltore in der Warenanlieferung oder die Kundenzugänge zum Beispiel werden häufig geöffnet und geschlossen. Das führt zu ständigen Wärmeverlusten.“
Annäherung an Passivbauweise durch viele kleine Maßnahmen
Stärken und Schwächen von Warehouse-Stores in Passivbauweise zeigen sich am HORNBACH-Markt in Heidelberg, der in Anlehnung an die Passivbauweise errichtet wurde. „Die Passivbauweise wurde hier nahezu erstmalig auf einen Warehouse-Store angewendet“, so Wambsganß. „Die Luftdichtheit der Fassaden, Dächer und Übergänge von Bauteilen zu Türen und Toren ist deutlich besser als bei anderen Märkten.“ In Annäherung an die Passivhausbauweise wurde die gesamte Wärmedämmung verbessert und verstärkt. Die Sektionaltore sind mit sogenannten „Thermo-Frame“-Zargen gedämmt und mit Folienschnelllauf-Toren ausgestattet, um den Luftaustausch zu verringern. Denselben Zweck haben die Torschleieranlagen, die innen an den Automatiktüren installiert sind. „Den fertiggestellten Markt haben wir einem Blower-Door-Test unterzogen. Damit konnten wir Undichtigkeiten feststellen und korrigieren“, beschreibt Wambsganß den letzten Schritt vor der Inbetriebnahme des Gebäudes.
Neben der luftdichten Außenhülle reduzieren der Einsatz einer Sommernachtlüftung zur Kühlung des Marktes mit Außenluft sowie eine Wärmerückgewinnungsanlage den Energieverbrauch des Heidelberger Marktes. Und auch die extensive Dachbegrünung trägt zur Energieeffizienz bei: Einerseits haben die Pflanzen eine zusätzliche Dämmwirkung, andererseits schützen sie die Dachfolie vor UV-Strahlen, was die Lebensdauer der Dichtfolien verlängert. „Trotz aller Maßnahmen haben wir jedoch festgestellt, dass der höhere Baustandard in Bezug auf die Energiereduzierung im Vergleich zu unseren anderen Märkten nicht so effektiv ist, wie wir gehofft hatten“, resümiert Wambsganß.
Wo immer es möglich ist, setzen wir Energie aus regenerativen Quellen ein. Nicht nur in Heidelberg findet sich auf dem Dach neben einer Solaranlage auch eine Begrünung.
Bernd Wambsganß
Auch unabhängig von der Passivbauweise sucht HORNBACH beständig nach Wegen, um die Energieeffizienz der Märkte zu verbessern. Einer davon ist der flächendeckende Austausch der Leuchtmittel: Bis zum Herbst 2020 sollen 125 Märkte komplett auf LED umgestellt werden. Die künstliche Beleuchtung schaltet sich zudem automatisch ab, wenn über die Oberlichtbänder ausreichend Tageslicht einfällt. Auch effektive Lüftungskonzepte, die Wertstoff-Trennung sowie die Pflanzung heimischer Bäume auf dem Außengelände verbessern die Energiebilanz. „Wo immer es möglich ist, setzen wir Energie aus regenerativen Quellen ein“, fügt Wambsganß hinzu. „Nicht nur in Heidelberg findet sich auf dem Dach neben einer Solaranlage auch eine Begrünung. Dasselbe gilt für Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung und die Sommernachtlüftung, die wir in fast allen Märkten einsetzen – nur bei unseren Standorten in Ländern mit mediterranem Klima ist sie leider nicht wirkungsvoll.“
Im Gegensatz zu den großen SB-Hochregallagern der HORNBACH-Märkte betreibt die HBU deutlich kleinere Niederlassungen. Um ihre Energieeffizienz zu steigern, hat die HBU zusammen mit Roland Träger bereits einige Maßnahmen umgesetzt. „Bei allen Neubauten von Büro- und Verkaufsgebäuden haben wir in den letzten Jahren einen Vollwärmeschutz von 16 cm angebracht. Außerdem sind alle Fenster dreifach verglast, die Dächer extensiv begrünt und teilweise mit Sonnenkollektoren versehen“, berichtet Träger. „Die komplette Beleuchtung ist auf dem neuesten Stand der Technik. Darauf wird auch bei den Bestandsniederlassungen geachtet: Hier werden die Leuchtmittel nach und nach modernisiert.“ Damit erreichen die HBU-Niederlassungen zwar nicht den Passivhaus-Standard – doch ihre Energiebilanz hat sich deutlich verbessert.
Verbesserung der Energiebilanz wird stetig vorangetrieben
Es zeigt sich: Was Fridtjof Nansen vor über 100 Jahren auf einem Polarschiff ausprobierte, funktioniert bei Wohnhäusern im Wesentlichen auch heute noch. Durch eine gute Wärmedämmung und kontrollierte Lüftung lässt sich der Energieverbrauch senken. Für Warehouse-Stores kann jedoch lediglich eine Annäherung an den Passivbau-Standard erreicht werden: Zu groß ist der Unterschied der Hallenbauweise; zu wenig lässt sich der Wärmeaustausch aufgrund von Kunden- und Warenströmen kontrollieren. Doch HORNBACH zeigt, es gibt auch andere Wege: Viele, nur scheinbar kleine Einzelmaßnahmen – wie der Einsatz regenerativer Energien, das Ausnutzen von Tageslicht oder die Dachbegrünung – führen im Großen und Ganzen zur Verbesserung der Energiebilanz. Mit dem Aufspüren und Umsetzen der Möglichkeiten für solche Maßnahmen werden sich Roland Träger und Bernd Wambsganß mit seinem Team weiter beschäftigen.