Zu spät entdeckt, ist oft die gesamte Pflanze nicht mehr zu retten. Sie stirbt ab und dem Hobbygärtner bleibt nur die Entsorgung. Auch in meiner Straße hatte Raupe Nimmersatt in den Vorjahren bereits gewütet. Als ich das Haus samt Garten vor wenigen Jahren kaufte, erbte ich damit auch eine kleine Chemikaliensammlung im Geräteschuppen. Der Vorbesitzer hatte mich netterweise auf das Problem mit dem Zünsler hingewiesen und bei Gesprächen am Gartenzaun klagten mir so ziemlich alle Nachbarn ihr Leid. Und dennoch: 2016 blieb alles ruhig. Null problemo in meinem Garten.
Ich erinnerte mich natürlich an das Mittel, das mir der Vorbesitzer ans Herz gelegt hatte und schaute im Schuppen auf das handbeschriebene Etikett an der Sprühflasche. Von wegen „nicht bienengefährlich“ „Calypso“ stand dort.
Umweltverbände wie der BUND hatten immer wieder auf den Wirkstoff Thiacloprid hingewiesen. Der gehört zur Gruppe der Neonicotinoide, denen eine Gefährdung diverser Insekten – vor allem der Bienen – nachgesagt wird. Im März 2015 hatte das Landgericht Düsseldorf entschieden, der BUND dürfe weiterhin behaupten, dass zwei von Bayer hergestellte Produkte (u.a. „Calypso“) für Bienen gefährlich seien und es sich bei dem darauf abgebildeten Logo mit dem Aufdruck „nicht bienengefährlich“ um eine Irreführung von Verbrauchern handele. Ende des Jahres gab der Konzern schließlich die Einstellung der Calypso-Produktion bekannt.
Somit gleicht meine ökologische Pflanzenschutzmaßnahme am Nachmittag optisch doch eher einem gesundheitsgefährlichen Chemie-Experiment. Nicht nur die Kleinfamilie, die kürzlich schräg gegenüber eingezogen ist, beobachtet mich mit skeptischen Blicken. Der Geruch des Spritzmittels ist übrigens auch nichts für feine Näschen, changiert irgendwo zwischen Komposthaufen und Rinderdung.
Und das Beste: In den folgenden Wochen, nach einer weiteren Spritze und einem sanften Formschnitt, erholen sich die Buchsbäume zusehends. Wo zuvor noch deutliche Fraßschäden sichtbar waren, sprießen nun wieder grüne Blätter. Motiviert vom Erfolg habe ich in diesem Jahr gleich Anfang April, als die Temperaturen über 7 Grad kletterten und in der Hecke die ersten Zünsler-Nester auftauchten, zur Sprühflasche gegriffen. Zwei Wochen später gab es einen zweiten Durchgang.
Und siehe da: Keine einzige Raupe krabbelt in meiner Hecke, die nun satt-grün in die Höhe schießt. „Dranbleiben“, raunt mir der für den Pflanzeneinkauf zuständige HORNBACH Einkäufer zu, als ich ihm begeistert von meinem Erfolg berichte. „Wahrscheinlich braucht es noch einen dritten und vierten Spritzgang dieses Jahr.“ Das sind für mich jeweils 30 Minuten Arbeitseinsatz und Gesamtkosten von gut zehn Euro für das Spritzmittel. Absolut vertretbar angesichts des Ergebnisses, frohlocke ich.
Nur mein Nachbar ist gerade stinksauer. Der Zünsler hat in seinem Garten gleich vier große Buchsbaumkugeln zerfressen. „Normalerweise warnt man sich in der Nachbarschaft doch gegenseitig vor dem Biest“, klagt er. Ich wähne mich derweil frei von jeder Schuld, schließlich bin ich mit Maske, Brille und Handschuhen bei meinem Einsatz für den Pflanzenschutz doch nun wirklich nicht zu übersehen…
Erfahrungsbericht von Florian Preuß