Ein milder Frühlingstag, mitten im März 2020: Hans-Jörg Specka steht nachdenklich im Eingangsbereich seines Marktes. Er hat die Medienberichte in den vergangenen Tagen aufmerksam verfolgt. Vom Abstandhalten ist jetzt überall die Rede. Und hier, in Bielefeld, strömen gerade unablässig Kunden in den HORNBACH-Markt. Dabei steht der Höhepunkt noch aus, die richtig sonnigen Tage kommen ja erst. In normalen Zeiten wäre der Marktmanager nun am Frohlocken. Endlich startet die Saison, endlich steigt die Nachfrage wieder. Doch 2020 ist alles anders. Für Specka ist klar: „Das ist jetzt ernst, das betrifft uns alle. Ich muss was unternehmen, um meine Mitarbeiter und Kunden zu schützen.“
Einige Maßnahmen hatte er auch in seinem Markt schon frühzeitig angestoßen, ein neues Hygienekonzept etwa und das ausgeklügelte Schichtsystem für das Team. Gerade erst haben sie den Spuckschutz im Kassenbereich aufgebaut. Das örtliche Gesundheitsamt war bereits da und hat Zustimmung signalisiert. Auch die Vertreter vom Amt für Arbeitsschutz, die etwas später hereinschauen, sprechen von vorbildlichen Lösungen. Aber das wird nicht reichen. Wenn die Kunden weiter so in den Markt strömen, dann werden Abstände untereinander und auch zu den Mitarbeitern keinesfalls eingehalten werden können. Hans-Jörg Specka entscheidet sich in diesem Moment – wie viele andere Kollegen auch – zu einem radikalen Schritt, den es so in der über 50-jährigen Geschichte des Unternehmens noch nicht gegeben hat: Ab jetzt wird der Zutritt zum Markt reguliert. Nur noch 70 Kunden dürfen zeitgleich herein, alle weiteren müssen warten.
Ein Stau ruft das Ordnungsamt auf den Plan
Um Herr der Lage zu werden und auch ein klares Signal zu senden, ändert der Marktmanager kurzerhand die Verkehrsführung. Es gibt jetzt nur noch eine Ausfahrt und eine Einfahrt. Und an der kommt es prompt zu einem ordentlichen Rückstau. Das ruft das Ordnungsamt auf den Plan, später hat Specka auch die Polizei am Telefon. Ruhig und sachlich erklärt er die Hintergründe, kann überzeugen. Das gelingt ihm und seinem Team auch im Kontakt mit den Kunden. Specka stellt sich Mitte März immer wieder für einige Stunden zu den Wachleuten, die er gerade engagiert hat, um den Kundenstrom zu regulieren. „Mir war es wichtig, zu sehen, wie die mit unseren Kunden umgehen. Und ich wollte auch wissen, wie unsere Kunden sich in der neuen Situation verhalten, wie groß das Verständnis ist.“ Er wird positiv überrascht. Abgesehen von wenigen Einzelfällen gibt es doch ganz überwiegend Zustimmung. Die Kunden warten geduldig und kaufen dann schnell und zielgerichtet ein. Gebummelt wird nicht und einen Ausflug mit der ganzen Familie macht hierher auch niemand mehr.
Um diese Botschaften zu unterstreichen, nimmt Hans-Jörg Specka sich zusätzlich zu den vielen neuen Herausforderungen noch Zeit für Gespräche mit den örtlichen Journalisten. Innerhalb von zehn Tagen gibt er vier Interviews und führt Redakteure durch den Markt. Fotografieren lässt er sich notgedrungen auch. „Ich halte mich wirklich nicht für fotogen und finde es auch grausam, für ein Foto zu posieren. Aber es war mir eben auch wichtig, dass die Leser erfahren, dass sie hier bei uns guten Gewissens einkaufen können, weil wir unsere Maßnahmen konsequent umsetzen“, erinnert er sich rückblickend.
In der Krise über sich selbst hinausgewachsen
In den vergangenen Wochen konnte er viele Maßnahmen in seinem Markt wieder zurückfahren, der Einkauf ist für Kunden und Mitarbeiter ein Stück weit normaler geworden. „Wir sind bislang gut durch diese Krise gekommen, hatten noch keine Infektion in unserem Markt und generell nur einen geringen Krankenstand in den vergangenen Monaten. Alle haben toll mitgemacht und ich weiß, dass ich mich auf mein Team verlassen kann. Falls die Situation nun in Deutschland doch nochmal ernster wird, dann sind wir gut vorbereitet und können schön dosiert auf die Bremse treten.“ Neben dieser Zuversicht stellt der langjährige Marktmanager auch in der persönlichen Rückschau positive Aspekte in den Vordergrund: „Am Anfang war es schon sehr stressig, das habe ich auch körperlich gespürt. Aber ich bin in dieser Krise auch gewachsen, habe neue Erfahrungen gemacht und von meinem Team und auch im Unternehmen viel Anerkennung erfahren. Das hat gut getan.“