Superhelden Marke Eigenbau
Jürgen Köhler liebt Action: Nach einem schweren Unfall musste sich der Stuntman umorientieren – und begann sich Superhelden-Kostüme zu bauen. Mit Material aus dem Baumarkt. Eines dieser Kostüme ist 2,60 Meter groß.
„Meine Freundin hat schon öfter gesagt, sie macht das nicht mehr mit – aber wenn ich an etwas arbeite, bin ich wie besessen und lasse auch mal einen Urlaub ausfallen“, erzählt Jürgen Köhler aus Hennef. Dann geht er seiner Leidenschaft nach und baut Superhelden-Kostüme.
40 Jahre arbeitete er als Stuntman, in ganz Europa, 2019 passierte es: ein Arbeitsunfall bei einem Fernseh-Dreh, viele gebrochene Knochen. Während der langen Krankenhaus- und Reha-Aufenthalte hatte Jürgen viel Zeit zum Überlegen. „Meine Karriere als Stuntfahrer musste ich an den Nagel hängen. Da war ich gezwungen umzudenken“, berichtet er. „Ich hatte mir gewünscht, ein Superheld zu sein, der seine Schmerzen unterdrücken kann, und habe im Krankenhaus den einen oder anderen Film gesehen: ,Spiderman‘, ,Captain America‘, ,Transformers‘ …“, erzählt er.
Wenn ich mir was in den Kopf setze, dann gebe ich 120 Prozent.“
Jürgen Köhler
Damit aus dem fixen Gedanken eine Idee und dann Wirklichkeit wurde, brauchte es aber erst noch einen Rohrbruch bei Jürgen zu Hause. „Ich wollte im Baumarkt eigentlich nur Ersatzteile holen. Als ich an den Kalt- und Warmwasserleitungen vorbeilief, dachte ich: Die wären doch perfekt für ein ,Ant-Man‘-Kostüm.“ Und schon machte er sich ans Werk: und baute eine alte Motorrad-Lederkombi in ein „Ant-Man“-Kostüm um. „Bilder aus dem Film hatte ich mir runtergeladen, ausgedruckt und aufgehängt“, erinnert er sich.
„Die Außenhaut und die gitterartige Brust-Struktur habe ich mit Armierungsgewebe aus der Bauabteilung gemacht. Die habe ich zurechtgeschnitten, aufgeklebt und dann mit der Airbrush-Pistole lackiert.“
Eine Herausforderung: das Kopfteil. Superhelden-Masken kann man natürlich kaufen, aber Jürgen wollte den eigenen, den perfekten Helm. „Wenn ich mir was in den Kopf setze, dann gebe ich 120 Prozent.“ Er nahm als Basis einen Schutzhelm für Forstarbeiter. Verklebte und verspachtelte ihn, schliff mit dem Dremel die Grundstrukturen der Maske ein. Fast zwei Monate dauerte allein die Arbeit am Helm inklusive Airbrush-Lackierung.
Die Helmverbindung zum Rückenteil konstruierte Jürgen mit den Kalt- und Warmwasserleitungen nach. Der „echte“ Ameisenmann kann sich per Knopfdruck auf Ameisengröße schrumpfen und Ameisensäure versprühen. Ersteres ist selbst für Jürgen schwierig, aber den Säurebehälter hat er natürlich nachgebaut: „Ich habe eine Öldose geschliffen und lackiert und mit Steckmodulen für Elektrorohre verbunden.“ Und der Knopf sitzt bei seinem Kostüm in einer Gürtelschnalle aus einem Abflusssieb.
„Ich bin einer, der Publikum braucht“, sagt Jürgen, der auch als Cosplayer auftritt. Nach dem „Ant-Man“ startet er direkt sein nächstes Projekt und baut einen über zweieinhalb Meter großen „Galactic Heroe“, den er „Maximus“ tauft. Wo Hollywood mit Kostümdesignern und Spezialeffekten arbeitet, da benutzt er einfach Alltagsmaterialien.
Um auf die 2,60 Meter Höhe des voll beweglichen Roboterkostüms zu kommen, hat Jürgen im Kostüm Malerstelzen verbaut. Und was wie Metall aussieht, sind vor allem Abflussrohre aus dem Sanitärbereich: „Das Gestell um den ,Maximus‘ besteht komplett aus Abflussrohren“, so Jürgen, „die habe ich heiß gemacht, verformt und weiterverarbeitet. ,Maximus’‘ Außenhaut ist aus EVA-Schaumblättern gefertigt. Damit habe ich zum Teil die Abflussrohre verkleidet.“
Bei den Details kam die Schleifmaschine zum Einsatz, jede Menge Metallic-Lack und Hunderte Schrauben. Durch diese „Leichtbauweise“ aus Kunststoff und Holz wiegt das Heldenkostüm „nur“ 40 Kilo. Zerlegt in zehn Einzelteile passt es in Kisten und lässt sich leicht transportieren. Zu seinen Auftritten, auf Volksfesten und Feiern etwa. Dort steigt Jürgen von einer Leiter ins Kostüm, zuerst die Fußteile, die auf den Malerstelzen verbaut sind. „Ich habe immer einen Helfer dabei, der mir alles anzieht, erst die Fuß-, dann die Beinteile und so weiter.“
Auf dem Rücken ist eine Auspuffanlage aus einem leeren Werkzeugkoffer und Auspuffrohren befestigt. Darin verbirgt sich eine kleine Nebelmaschine, die über Funk bedient werden kann. Das übernimmt dann jemand anders, während Jürgen in seinem Kostüm alle anderen Teile bewegt, die Hände des „Maximus“ – ebenfalls aus Kunststoff – steuert Jürgen etwa über Metallseile aus der Lampenabteilung. Die Seile sind an einem Handschuh befestigt hat, den er im Kostüm trägt.
Rund ein Jahr baute Jürgen Köhler an seinem „Maximus“-Giganten, tritt seitdem regelmäßig als Superheld auf Volksfesten oder privaten Feiern auf. Aber es geht immer noch größer, noch spezieller. Neben Jürgens Bett liegt sein Block. Er hat schon neue Ideen notiert …
Text: Bettina Lüke | Fotos: Jürgen Köhler