Sei Dein eigener Schöpfer
Die Sehnsucht, mit den Händen etwas zu erschaffen. Etwas ganz Eigenes. Das treibt Wildnistrainerin Klara-Marie Schulke an. Sie ist Wildnistrainerin und weiß, wie viel schöpferische Kraft im Menschen steckt. Ein Plädoyer für das Erschaffen. Mit Händen und Verstand.
Du arbeitest vor allem mit Werkzeugen aus Naturmaterialien. Geht es nicht auch einfacher?
Eigentlich ist kaum etwas einfacher, als etwas mit dem zu schaffen, was die Natur hergibt. Steine, Hölzer, Rinden sind einfach da, man muss nur wissen, wie man sie einsetzt. Mich fasziniert es, auszuprobieren, wie ich mir selber helfen kann, wie ich Dinge, die im Wald liegen oder wachsen, in nützliche Gegenstände verwandeln kann. Aber natürlich benutze ich auch Dinge, die nicht aus der Natur kommen und die ich nicht selbst gemacht habe. Zum Beispiel einen Kübel und ein Schabeisen, die Lohe setze ich in einer Plastikwanne an, und wenn es regnet, bin ich froh, mal ein Tarp aufspannen zu können.
Wenn Du all die Hilfsmittel vergleichst, die Menschen früher und heute verwenden – was ist Deiner Meinung nach das wichtigste Werkzeug des Menschen?
Die ältesten Werkzeuge, die man gefunden hat, sind aus Stein, darunter zum Beispiel auch Feuerstein, sie dienten aber auch als Waffen. Menschen sind ja nicht superschnell, wir haben keine Reißzähne oder scharfe Krallen. Umso mehr sind wir in der Wildnis darauf angewiesen, unseren Verstand zu benutzen. So gesehen sind das unsere stärksten Werkzeuge: unser Gehirn, mit dem wir Lösungen für Probleme finden, und unsere Hände, mit denen wir die Lösungen umsetzen – von groben Arbeiten wie dem Behauen von rohem Holz bis zum Nähen mit einer filigranen Knochennadel.
Holz und Knochen – solche Materialien aus der Natur berühren wir ja im Alltag kaum noch, oder gar nicht. Ist es für Dich ein Unterschied, ob Du mit Naturmaterialien oder Kunststoff arbeitest?
Auf jeden Fall. Bei der Arbeit mit Naturmaterialien, zum Beispiel mit Holz, denke ich viel mehr nach. Ich bearbeite einen Ast und irgendwann driften meine Gedanken zu diesen Fragen, wo der Baum wohl gewachsen ist, wie lang er gebraucht hat, um so kräftige Äste hervorzubringen, welche Tiere lebten darauf? Manchmal gehe ich dann in die Natur und schaue, wo die Bäume wachsen, und ich schaue im Internet und in Büchern nach und lerne noch etwas über die Natur, was ich vorher nicht wusste. Das würde mir bei der Arbeit mit Kunststoff nicht passieren.
Klara-Marie Schulke
Wie das?
Die moderne Welt ist natürlich wahnsinnig bequem. Wir leben im Warmen, haben immer genug zu essen und wenn wir krank sind, können wir zum Arzt gehen. Aber wir konsumieren auch unheimlich viel und verschwenden dadurch, was in der Natur nur begrenzt vorkommt. Wenn ich selber etwas baue – und dann auch noch aus Holz, Stein oder anderen Naturmaterialien – erlebe ich, wie begrenzt diese Ressourcen sind und wie viel Zeit es braucht, etwas herzustellen. Ich mache mir auch Gedanken darüber, wie lange das Stück Holz braucht, um nachzuwachsen. Wenn Du einmal diesen ganzen Prozess vom Rohstoff, etwa von Zweigen oder rohem Leder, bis zum fertigen Gegenstand, etwa einem Jagdbogen oder einer Jacke, gegangen bist, wirfst Du nicht mehr so schnell etwas weg, um dafür etwas Neues zu kaufen. Dann reparierst Du auch mal ein Shirt, wenn eine Naht aufgegangen ist, weil Du weißt, dass darin endliche Ressourcen und die Arbeit einer Näherin eingeflossen sind.
Text: Anja Reumschüssel / Fotos: Verena Berg