Rummel im Wald
40 Fahrgeräte aus kühnen, bis zu 30 Meter hohen Stahlkonstrukten – in einem kleinen Wald bei Venedig betreibt Bruno Ferrin, 79, den wohl ungewöhnlichsten Vergnügungspark der Welt. Kaum zu glauben: Seine fantastischen Attraktionen sind alle selbst gebaut.
Bruno Ferrin lässt den Blick über die wirbelnden Fahrgeräte und die strahlenden Besucher schweifen. Er breitet die Arme aus und sagt: „All diese Leute, die sind frei. Die freuen sich, darum geht’s mir.“ Das klingt fast schon ein bisschen kindlich, naiv. Na und? Man darf Bruno gerne glauben, dass es ihm einzig und allein um die Freude seiner Gäste geht. Eintritt? Pah, davon will er nichts wissen. Seinen Park kann jeder kostenlos besuchen, ein wenig Geld verdient Bruno nur mit der Osteria, die am Eingang des Geländes günstig Kaffee, Wein, Panini und Polenta verkauft. 30 Prozent vom Osteria-Gewinn fließen direkt zurück in den Park, in neues Baumaterial und weitere Werkzeuge.
Seit 40 Jahren bastelt, bohrt, sägt und schweißt Bruno schon an seinem Parco Giochi. Fast täglich streift er über das drei Hektar große Gelände, er hält die Attraktionen in Schuss, zieht Schrauben fest, schneidet Bäume zurück. Und erfindet immer wieder neue Fahrgeräte. Entstanden ist eine bizarre Fantasiewelt, ein Abenteuerspielplatz der Superlative. Wie die Skelette urzeitlicher Giganten stehen Brunos Konstruktionen zwischen den Linden und Ahornbäumen.
Bruno Ferrin
Wenn die mehr als tausend Besucher, die pro Tag kommen, auf ihrem Heimweg sind, gehört der ganze Park wieder Bruno allein. Er lauscht den singenden Vögeln, dem Rascheln der Blätter in den Baumkronen. Er läuft die gesamte Länge der Katapult-Bahn ab, streicht dabei andächtig über das blanke, noch zu lackierende Metall. „Ich habe das alles erschaffen“, sagt Bruno. Und klingt dabei, als könne er es selbst kaum glauben.
Ein ewiger Tüftler
Bruno Ferrin, 79 Jahre alt, funkelnde Augen, schlohweiße Haare, begann vor 40 Jahren damit, den Grundstein für sein fantastisches Reich zu legen. Mit 30 Jahren kam ihm die Idee für eine eigene kleine Gaststätte. Die ersten Gäste brachten viele Kinder mit, denen Bruno, selbst Vater zweier Töchter, etwas bieten wollte. Also baute er eine Schaukel, zimmerte Gerüst und Sitzfläche zusammen, besorgte die passenden Seile. Einen Baumarkt für die eisernen Haken gab es in den frühen 1960er-Jahren in der italienischen Provinz nicht. Der Dorfschmied hatte keine Zeit, überließ Bruno aber seine Werkstatt: „Das war der Durchbruch!“, schwärmt der Italiener, der die Volksschule nach der fünften Klasse verlassen musste und keine Ahnung von Statik und Geometrie hatte, noch heute. Danach war er nicht mehr wegzukriegen von der Werkbank. Er machte einfach immer weiter. Spielzeug für Kinder, aber auch für Erwachsene – kein Ende in Sicht.
Text: Anja Reumschüssel | Fotos: Oliver Soulas