Bereit zum Entern
Die Piraten sind los und suchen nach einem neuen Schiff. Daniel Bewernick stellt sich der Herausforderung und baut sein eigenes.
Ein eigenes Piratenschiff? Die Idee ließ Daniel Bewernick aus Lippstadt in Nordrhein-Westfalen nicht mehr los. Gemeinsam mit Freunden und Familienmitgliedern trat der 36-Jährige auf Märkten und Straßenfesten als „Piratengesindel“ auf, spielte einen echten Seeräuber. Was fehlte für den perfekten Auftritt, war das passende Schiff, das man für Veranstaltungen zu zweit unkompliziert auf- und abbauen kann.
Aus Spiel wird Ernst
Erfahrungen im Schiffsbau? Hatte Daniel keine. Handwerkliche Kenntnisse: vorhanden. Der gelernte Werkzeugmacher, inzwischen tätig als Unfallverhütungsprüfer für Windkraftanlagen, denkt pragmatisch. Kann doch nicht so schwer sein. Schaut sich das Spielzeug-Piratenschiff seines Sohnes an, nimmt es als Basis. Kauft ein Buch für Modellbauer über historische Schiffe, skaliert den Maßstab hoch. Zeichnet einen groben Plan – und legt los. Nicht viel Theorie, Praxis ist sein Ding.
Wenn ich ein Stück Holz anfasse, kann ich damit viel besser umgehen als mit Stift und Zettel.“
Daniel Bewernick
Der Bau
Daniel beginnt mit dem Mittelteil des Schiffs. Sägt die Schiffswände zu, je zwei Meter hoch. Bohrt Löcher für Schiffsluken zum Laden der Kanone – ganz nach historischem Vorbild. Anfangs steht Daniel noch auf einer Bierkiste, besorgt sich dann doch ein Baugerüst. Sicher ist sicher. Er arbeitet schließlich draußen bei Wind und Wetter.
Dann der Bug. Die größte Herausforderung: wetterbeständiges Holz nutzen und biegen, ohne dass es bricht. Er entscheidet sich für Pappelsperrholz, sechs Millimeter breit. Das schneidet Daniel zu, wässert es teilweise, erwärmt es mithilfe eines Gasbrenners, biegt es vorsichtig um, schraubt es am Mittelteil des Schiffs an. Geht doch. Gar nicht so schlimm wie gedacht.
Nun zum Heck. Mit vielen Arbeitsschritten, teils sehr aufwendig. Das Heck soll hinten einen Meter überhängen. Daniel baut die Seitenwände etwas länger, arbeitet sich langsam von unten nach oben vor. Für die Rundung des Hecks am Boden verbaut Daniel Nut- und Federbretter aus Douglasie. Für die nächsten Schichten organisiert er gebrauchte Paletten, die Freunde unterstützen, wo sie können: reichen Werkzeuge an, ziehen in wochenlanger Kleinarbeit mit einem Kuhfuß alle Nägel aus dem Palettenholz. Dann schneidet Daniel die Holzbretter zu und schraubt das Heck an den Seitenwänden fest.
Der Endspurt
Fertig? Nicht ganz. Jetzt geht’s an die Masten – der höchste soll 14 Meter haben –, die baut Daniel aus Nadelholz, schraubt einfache Rundhölzer aneinander. Für die Wanten zur Verspannung der Masten verknotet er 500 Meter Seil mithilfe des extra erlernten Piraten-Knotens, des Mastwurfs oder Clove hitch. Nicht zu vergessen: eine kleine Seitentreppe, damit man zum Achterdeck hochkommt.
Jetzt geht’s ans Lackieren. Das Schiff soll alt und benutzt aussehen. Daniels Devise: ausprobieren an Versuchshölzern. Einmal lackieren, mit Hochdruckreiniger den Lack halb wieder runterspülen. Dann das Holz der Außenwand mit dem Topfbrennerankokeln und anschließend mit Drahtbürste und hartem Besen etwas abschmirgeln. Noch nicht alt genug. Da muss die Axt ran, um Gebrauchsspuren ins Holz einzuarbeiten. So passt’s. Und dann das Ganze am kompletten Schiff. Fehlt noch die Deko: Totenköpfe, aus Gips selbst gegossen, am Schiff anhängen. Dann endlich steht Daniels Schiff. Und wird direkt vom „Piratengesindel“ geentert. Und Daniel? Plant bereits neue Bauwerke für seine Piraten und die Landratten, die sein Schiff besuchen.
Daniels Piratenschiff in Zahlen:
- Materialkosten: weiß Daniel nicht mehr
- sentimentaler Wert: unbezahlbar
- Maße: 30 Meter lang, am Heck fünf Meter hoch; höchster Mast: 14 Meter
- Zeit für Auf- und Abbau des Schiffs: jeweils sechs Stunden, plus sechs Stunden jeweils für die Masten
- Bauzeit: Bug & Mittelschiff: jeweils vier bis fünf Wochen. Heck: drei Monate
Text: Esther Acason | Fotos: Daniel Bewernick, Johannes Pietsch, Andrea Rattay