Jetzt oder nie: Volker baut eine CNC-Fräse
Kein von Hand geführtes Werkzeug ist so präzise, und viele hätten daher gern eine, um sich damit Maßanfertigungen aus Holz oder Metall zu machen: eine CNC-Fräse. Volker hat sich eine gebaut. In einem Workshop – denn ohne professionelle Hilfe geht das kaum.
Am Anfang hatte ich vor allem eins: Respekt. Vor der Aufgabe. Vor dem Gerät an sich: der CNC-Fräse! Schon der Name klingt komplex, präzise, profimäßig. Nach Werkzeug und Computer, Hardware und Software. CNC steht für „Computerized Numerical Control“, für eine digital kontrollierte Fräse. Ohne solche Fräsen geht heute nichts mehr in der Industrie. Nicht in der Metallverarbeitung, nicht in der Möbelbranche. Vor allem wenn es um größere Stückzahlen geht. Was die CNC-Fräse am Ende fräst – Holz, Aluminium, Kunststoff –, hängt vom aufgesteckten Fräser ab. Einmal mit den Daten gefüttert, lenkt das Programm die Maschine, bestimmt Drehzahl, Vorschub, Schnitttiefe. In der Profi-Industrievariante kostet so eine Fräse schnell mal 100.000 Euro, es gibt sie aber auch im Heimwerkerbereich. Was ich eher durch Zufall erfahren habe: Man kann sich auch selber eine bauen. Vergleichsweise günstig. In einem Workshop, den zum Beispiel Birgit Hellendahl anbietet. Da ich mir schon immer Möbel selber bauen wollte oder eine Ablade für den Kombi, präzise gefräst, denke ich: Super, das mach ich.
Birgit kommt aus der Nähe von Köln. Sie ist dort Mitglied der DingFabrik, einer offenen Werkstatt, hat sich 2014 nach einer Anleitung in einem Fachmagazin eine sogenannte Meyer-Fräse gebaut und sie dann nach ihren Bedürfnissen weiterentwickelt. Und weil immer mehr Leute fragten, ob sie ihnen beim Bau so einer Fräse helfen könne, entwickelte sie einen Workshop, den sie inzwischen an verschiedenen Orten in Deutschland durchführt.
Ich besuche den Workshop in Kirchheim unter Teck in der Nähe von Stuttgart. Mit mir stehen an einem sommerlichen Morgen fünf weitere Fräsenbauer in einer großen Werkstatt. Sie gehört Andi, Unternehmer und ehemaliger Workshop-Teilnehmer. Während wir bei ihm unsere Fräsen bauen, fräst er im Hintergrund Möbel für den Van, den er sich gerade ausbaut. An unserer Seite stehen Birgit mit Alois und Marian. Alois ist Experte für die Konstruktion, Marian für Elektronik. Alle drei leiten uns. Müssen sie auch. Die CNC14-Fräse, das wird mir schnell klar, ist ein komplexes Konstrukt aus Achsen mit Flaschenzug-Riemenantrieb, Motoren und ganz viel Elektronik. Ich baue, wie die meisten, eine große CNC14-Fräse.
Schritt 1: Z vor X
Am ersten Tag geht es vor allem darum, die drei Achsen zu bauen, aus der die CNC14 besteht. Sie heißen X, Y und Z. Auf der Y-Achse fährt die Fräse vor und zurück, auf der X-Achse seitlich nach rechts oder links, auf der Z-Achse schließlich geht sie nach oben oder unten. Die Maße der Achsen bestimmen den Arbeitsbereich und damit, wie breit, lang und hoch das Werkstück maximal sein kann. „Der Arbeitsbereich beträgt in der Breite 54,5 Zentimeter, in der Länge 110 und in der Höhe 13 Zentimeter“, erklärt Birgit. Ich vergesse die Zahlen aber direkt wieder, denn ich will, dass es endlich losgeht. Auf meinem Arbeitstisch liegt alles bereit: das Holz, die Aluschienen, eine Rolle mit Zahnriemen, Kabel, drei Motoren, der Fräsmotor, mehrere Becher mit Schrauben und eine ganze Kiste mit noch mehr Schrauben, Unterlegscheiben, Muttern.
Ich beginne mit der Z-Achse. Setze aus Holzplatten, die zugeschnitten sind, einen Kasten zusammen, in dem innen der Motor (pro Achse ein Motor) und vorne der Fräsmotor befestigt wird – und neben dem Fräsmotor noch eine Kamera. Die hat Alois, der Mann für Konstruktion und Mechanik, selbst entwickelt. Sie hilft bei der exakten Bestimmung des „Nullpunkts“, von dem aus auf dem Werkstück losgefräst wird.
Von meinem Nullpunkt beim Fräsenbau starte ich mit Bohren, Senken, Schrauben. Das ist der Dreiklang des ersten Tags. Unermüdlich heißt es: Teile nehmen. Löcher bohren oder vorgebohrte Löcher mit dem Senker vertiefen, Schrauben sauber versenken. Gebaut wird nach einem ausgeklügelten Plan. Birgit und an diesem Tag vor allem Alois erklären die Schritte, wir bauen. Geduldig, im Gleichklang. Erst den Kopf, dann das Gehäuse der Z-Achse. Wir befestigen die Schienen und die Lager, auf denen die Achse sich auf und ab bewegen wird. „Wellenunterstützte Linearführungen“ ist die korrekte Bezeichnung, der Sockel der Schienen ist aus Alu, die Wellen sind aus Stahl.
Schritt 2: Die Achsen müssen sitzen
Nach dem „Kopf“ (Z-Achse) folgen „Arm“ (X-Achse) und „Beine“ (die beiden Schenkel der Y-Achse) der CNC14. Das heißt für mich: Messen. Anzeichnen. Vorbohren. Senken. Schrauben. Die beiden Holzschenkel der Y-Achse müssen vor allem exakt auf der Basisplatte justiert und festgeschraubt werden. Dann werden die Aluschienen, „Linearschienen“ genannt, auf der X- und Y-Achse befestigt und ausgerichtet. Mit einer Schablone aus Metall prüfe ich immer wieder, ob die Abstände stimmen. Das hat schon fast etwas Meditatives.
Schritt 3: Motoren anbringen, Riemen verlegen
Tag zwei beginnt damit, alle drei Achsen zusammenzufügen. Also die Fräse auf die Schienen zu setzen. Noch einmal prüfe ich, ob alle Achsen sauber und ohne Ruckeln laufen, setze die X-Achse quer auf die beiden Schienen der Y-Achsenschenkel, dann die Z-Achse mit ihrem Kopf auf die X-Achse. Passt, hat Luft, ruckelt nicht.
Als Nächstes montiere ich die vier Schlussstücke der Fräse an den Enden der Y-Achse. Es folgen mechanische Stopper, die an jeder Ecke festgeschraubt werden. Sie legen fest, wo die Achsenfahrten enden. Dann montiere ich die Motoren, für jede Achse einen. Und die Riemen. Die CNC14 ist so konstruiert, dass die Y- und die X-Achse über Riemen angetrieben werden, die über Zahnräder laufen und wie ein Flaschenzug funktionieren. Alois zeigt mir, wie ich die Riemen verlegen muss. Einfädeln, um die Lenkungen führen und am Ende spannen. Es ist Samstagmittag, Halbzeit. Die Grundkonstruktion steht.
Schritt 4: Verkabeln, verkabeln, verkabeln
Mechanisch läuft die Fräse, jetzt kommt die Elektronik. Marian, der Spezialist für diesen Part, verteilt einen DIN-A4-Zettel mit einem „Anschlussplan“ auf der einen und der „Energieketten-Verkabelung“ auf der anderen Seite. Die Führungen für die Energieketten müssen als Erstes verlegt werden. Es sind schwarze Kunststoffgehäuse, die an Baggerketten erinnern. Eine Kette wird auf der X-Achse festgeschraubt, die andere seitlich neben dem Y-Achsenschenkel, an dessen Ende sich der Motor befindet. Ich ziehe ein Kabel nach dem anderen sauber durch die Gehäuse: Motorenkabel, Steuerungskabel. Marian hat dazu einen Helfer gebastelt: einen langen Kupferdraht mit Öse. Sehr praktisch. Sehr begehrt bei allen in der Werkstatt.
Dann beginnt die elektronische Feinarbeit. Das Netzteil, die Platine mit den Anschlüssen, der „Jumper“, ein Dippschalter, die Motoren der drei Achsen – alles verkabele ich nach Plan. Marian macht zur Sicherheit bei allen die Runde für eine Endkontrolle. Klappt. Alles richtig verdrahtet. Wir justieren unter seiner Aufsicht die Endschalter, die verhindern, dass die Fräse dahin gehen könnte, wo sie nicht hinsoll. Am Ende von Tag zwei dann der große Moment: Ich schalte den Strom ein. Die Fräse bewegt sich. Fährt nach oben, unten, rechts und links. Das gemeinsame Grillen, fester Bestandteil des Workshops, haben wir uns verdient.
Schritt 5: Software- und Werkzeugkunde
Sonntagmorgen, Tag drei: Software-Einführung. Wir sitzen in der Werkstatt vor einem Beamer. Welche Software gibt es, welche bietet sich an für welchen Zweck? Ich sehe schnell: Es ist ein sehr weites Feld. Und auch nur ein Anfang. Birgit installiert mit mir auf dem Laptop Inkscape, eine Open-Source-Software, mit der man Vektorgrafiken erstellen kann. Und Estlcam, eine CAM-Software für Einsteiger, geeignet für Fräsen mit bis zu drei Achsen. Wir lernen außerdem, welche Fräser es gibt und was für den Anfang sinnvoll ist. Dann fräsen wir ein Übungsstück. Es soll ein Schild sein. Irgendeins. Unser Fotograf meldet sich. Seine Tochter hat Geburtstag. Und ein Pony. Ob ich nicht ein Schild für den Stall fräsen will. Für den Anfang? Als Geschenk? Warum nicht!
Ich wähle ein „V-Grooving & Signmaking Bit“, damit fräst man im 90-Grad-Winkel. Dann ermittle ich mit der Kamera den Nullpunkt für das Holzbrett, befestige es mit zwei Schraubzwingen. Gebe am Rechner in Estlcam nach der Vorlage genau ein, was der Fräser aus dem Werkstück fräsen soll. Ich sichere die Datei. Und drücke auf los. Die Fräse springt an, die Z-Achse senkt sich, der Fräser dreht los und rast seinen Tanz über das Brett. Magisch. Ich blase die Sägespäne weg, da ist der Kopf des Tiers, gleich kommt die Mähne. Präzise wie im Programm von mir eingezeichnet. Meine eigenen Projekte können also kommen. Meine CNC-Säge funktioniert. Und ein passgenauer Tisch für den Balkon fehlt seit geraumer Zeit – aber nicht mehr lange.
Text: Volker Corsten | Fotos: Sebastian Berger
Die CNC14
Mehr Infos zu Birgits Fräse und den Workshops gibt es hier.