Kanu, Teich, Schlitten bauen: In dieser Rubrik hat sich unser Autor Sascha regelmäßig auf Projekt-Neuland gewagt – diesmal stellt er sich einer Herausforderung mit außerordentlichem Nutzwert: Der marode Schornstein von Freund Lucas muss dringend flott gemacht werden, sonst wird der Winter bitter.

Ich geb’s ja zu: Meine neuen Fähigkeiten als Kettensägenkünstler sind zwar erstklassiger Party-Gesprächsstoff, aber einen wirklich praktischen Nutzen haben sie nicht. Genauso bin ich im Alltag eher selten gefordert, zu meinem selbst gebauten Langbogen zu greifen.

Mein Wunsch: Mich zur Abwechslung mal wirklich nützlich machen und ein echtes Problem lösen. Deshalb bin ich Feuer und Flamme, als Lucas, ein Freund und Fotograf dieser Rubrik anruft: „Mein Schornstein kollabiert“, klagt er. „Kannst du kommen?“

Sascha Borrée

Lucas ist stolzer Besitzer eines historischen Resthofs, Baujahr irgendwann vor 1900. Ein wunderschöner Backsteinbau, allerdings eher von der Art, bei der Makler in ihren Anzeigen gerne sagen, das Haus habe „Potenzial“, sei ein „Handwerkerobjekt“. Sprich: das perfekte Gebäude für einen wie Lucas, der gerne anpackt. Und für einen wie mich, der immer auf der Suche nach der nächsten Projekt-Stufe ist. Schornsteinsanierung? Noch nie gemacht, wann geht’s los? Ganz bald, sagt Lucas, es eilt. Denn eine Gas-, Öl- oder Elektroheizung wird man in seinem Haus lange suchen: Geheizt wird nur per Bollerofen. Oder, bei kaputtem Schornstein, eben auch nicht. Und langsam wird es draußen kalt.

Wenige Tage später stehe ich bei Lucas unterm Dach und begutachte den Schaden. Die letzten zwei, drei Meter des Schornsteins werden nur noch notdürftig von Spanngurten gehalten; da ist nichts mehr zu retten. Also greifen wir zu Hammer und Meißel, lösen, was nicht sowieso schon lose ist, tragen eimerweise Schutt nach unten. Wie ein kariöser Zahnstumpf sieht der amputierte Schornstein schließlich aus, im Dach klafft jetzt ein großes, quadratisches Loch.

Autor Sascha Borrée trägt eimerweise Schutt nach unten.

Wie weiter? Klar: Wir wollen den Schornstein wieder aufmauern. „Lass uns besser vorher mal den Schornsteinfeger anrufen“, sagt Lucas. Theoretisch darf man das alles auch ohne Fachmann machen. Doch sicher ist sicher. Und: Schließlich muss der Mann unser Werk am Schluss eh abnehmen. „Aufmauern ist ein guter Anfang“, sagt der zuständige Bezirksschornsteinfeger dann kurz darauf beim Ortstermin. „Damit seid ihr aber noch nicht durch, der Schornstein versottet ja schon.“ Was das heißt? Wasserdampf, Teer und Schwefelsäure lagern sich innen an den Schornsteinwänden ab und zersetzen sie regelrecht. „Sowas passiert, wenn es im Schornstein nicht warm genug wird“, erklärt der Schornsteinfeger. „Der Durchmesser ist zu groß, den müsst ihr mit einem Stahlrohr verkleinern.“ Lucas ist leicht genervt, Stahlrohre gehen ordentlich ins Geld. Ich dagegen denke: Perfekt! Das Projekt Schornsteinsanierung ist gerade noch eine Nummer interessanter geworden. Bevor wir weiter über das Stahlrohr nachdenken, mauern wir jetzt aber erstmal auf. Also: Maurerkelle kaufen, Hohlkammersteine aus Kalkstandstein ranschaffen, Flachbettmörtel anrühren, alles per Flaschenzug rauf zum Schornsteinstumpf hieven. Und dann Stein auf Stein setzen. Geht am Anfang noch ganz einfach. Für die letzten Lagen muss ich mich mit einem Seil sichern, aufs Dach klettern. Lohnt sich, super Aussicht! Lucas kann leider nicht mit anpacken – er hält meine Fortschritte mit der Kamera fest.

Autor Sascha Borrée und sein Freund Lucas mauern den Schornstein wieder auf.

Das Stahlrohr kommt per Paketdienst – in zehn Elementen von je einem Meter Länge, dazu noch drei T-förmige Stücke. Wie geht’s weiter? Wir fragen wieder einen Fachmann, dieses Mal den Sanitär- und Heizungsinstallateur Roland Eilfeldt. „Erstmal müsst ihr den Schornstein unten im Erdgeschoss aufbrechen, da setzen wir das Rohr dann rein“, sagt er. Klar, das hätte uns vielleicht auch selbst einfallen können. Ich greife zum Abbruchhammer, zehn Minuten später stehe ich in einem Schutthaufen. Im Schornstein klafft jetzt ein großes Loch. Drinnen ist alles pechschwarz, und richtig riesig: Der Weihnachtsmann würde mitsamt Sack locker reinpassen. „Logisch“, sagt Roland, der uns wachsam über die Schulter guckt. „Früher sind da ja wirklich die Schornsteinfeger durchgekrochen, deshalb hat man die Schornsteine damals so groß gebaut.“

Autor Sascha Borrée begutachtet mit einem Fachmann den Schornstein im Erdgeschoss.

Ich setze das erste Rohrelement unten im Schornstein ein, darauf dann das erste T-Stück, das wir an die bestehende Ofenrohr-Öffnung montieren wollen. Zu tief, das passt noch nicht. Ein zweites Rohrelement drunter setzen? Dann hätten wir zu viel Höhe. Ich messe nach, bringe das Element mit der Flex auf die richtige Länge. Jetzt ist es perfekt. Auf das erste T-Stück setze ich das zweite, dann das dritte. Das reicht dann erstmal: Mit drei Kaminöfen in den verschiedenen Zimmern im Erdgeschoss kann Lucas schon ordentlich einheizen.

Sascha Borrée bringt das Rohrelement mit der Flex auf die richtige Länge und setzt es ein.

Im Prinzip müssen wir jetzt nur noch die restlichen Stahlrohr-Elemente draufsetzen. Von unten? Keine Chance. Zusammen mit Roland steige ich wieder aufs Dach, Lucas dokumentiert unser Werk wieder mit der Kamera. Wir befestigen ein erstes Rohrelement an einem Seil, lassen es ein Stück weit in den Schornstein hinab, setzen dann das nächste Element drauf. Und so geht es Schlag auf Schlag weiter. Seil geben, Rohrelement aufsetzen, weiter Seil geben – das Stahlrohr wächst immer weiter nach unten. Nach jeweils zwei Elementen montieren wir zusätzlich noch einen Ring mit vier kreuzförmig abgehenden Stahlstreben. „Ein Abstandshalter“, erklärt Roland. „Damit kann das Rohr bei Sturm oder starker Hitze nicht im Schornstein hin- und herschlackern“. Eine knappe Stunde später kommt das Stahlrohr unten auf dem T-Stück an. Wir lösen den Knoten, einer zieht das Seil von oben raus und wir setzen das Rohr richtig drauf. Zum Schluss noch: Den Hohlraum zwischen Schornstein und Stahlrohr mit Steinwolle füllen, die drei Öfen anschließen, das Loch im Schornstein wieder zumauern. Und, was sagt der Fachmann? „Sieht alles gut aus“, nickt Roland anerkennend. Puh, ein Glück!

Vom Dach aus setzt Sascha Borrée die restlichen Stahlrohr Elemente drauf. Und zum Schluss füllt er noch den Hohlraum zwischen Schornstein und Stahlrohr mit Steinwolle.

Am Abend, nach der Abnahme durch den Schornsteinfeger, gibt’s die große Schornstein-Premiere. Wir setzen uns vor den Ofen, schichten Brennholz übereinander. Bald lodern die Flammen, die kühle Stube wird wohlig warm. Genau wie mein Herz.

Sascha Borrée sitzt vorm Ofen und ist stolz auf seine erste Schornsteinsanierung.

Als Party-Gesprächsstoff mag sich so eine Schornsteinsanierung nur bedingt eignen. Aber Worte sind schließlich Schall und Rauch, vergänglich wie ein Holzscheit im Kamin. Was bleibt, ist ein Schornstein. Und das gute Gefühl, einen Freund vor eisiger Kälte bewahrt zu haben. Das ist doch was.

Text: Sascha Borrée | Fotos: Lucas Wahl