Jetzt oder nie: Lili baut einen Tischkicker
Dieses Jucken in den Fingern: Lili hat in ihrer Jugend gern gekickert. Lange ist das her. Viel zu lange, findet sie. Und beschließt, sich einen eigenen Tischkicker zu bauen. Anpfiff zum Workshop – mit CNC-Fräse und viel, viel Schleifarbeit.
Ich weiß noch genau, wie ich das erste Mal am Kicker stand, wie ich die Griffe durch meine Finger gleiten ließ, den kleinen Ball erst gegen die Wand gepfeffert, ihn dann im Nachschuss mit Schwung im Torloch versenkt habe. „Boah, Lili, die erste Regel … Kurbeln ist verboten, das war ein Foul“, kommentierte mein Vater. Es war Weihnachten, ich etwa zehn Jahre alt – und die Lust am Kickern geboren.
Fast 20 Jahre später spüre ich wieder einmal ein deutlich vernehmbares Jucken in meinen Fingern. Der Tischkicker meiner Jugend hat bei einem Umzug eine neue Familie gefunden. Warum also nicht einen neuen Kicker selber bauen? Aus edlem Holz sollte er sich gut in meinem Wohnzimmer machen. Ganz allein traue ich mir das Projekt nicht zu. Also besuche ich André Mirtschink im gemeinnützigen Verein Tagwerk in Bautzen. Dort hat er seine offene Tischlerei und baut gerade sein Start-up Kicker-Rabatz auf. Er will vor Ort und mobil Workshops geben. Mit mir ist ein zweitägiger Crashkurs geplant. Damit es in der Zeit zu schaffen ist, packt André mit an. Normalerweise dauert so ein Workshop etwa eine Woche.
1. Das Holz und der Zuschnitt
Als Erstes brauchen wir einen Plan. Es gibt diverse technische Zeichnungen für Kicker im Internet, Open Source, also für jeden. Ich baue natürlich mit den Plänen von André.
Jetzt geht es ans Holz. Das sollte nicht nur gut aussehen, sondern auch von den Eigenschaften zum Produkt passen. André erklärt mir, dass er für seine Kicker gern Birke Multiplex nutzt. Das Holz ist etwas weicher. Es gibt beim besonders schwungvollen Kickern leicht nach und berstet daher nicht so schnell wie härtere Holzarten. Für den Korpus und die Zahlenwürfel braucht man eine Platte, die 1,25 Meter breit ist und 2,50 Meter lang.
Ein ganz kleines bisschen über Holz weiß ich schon – mein Ex-Freund und auch mein jetziger sind beide Tischlergesellen. Aber beide haben mich nie an die schweren Maschinen in der Werkstatt gelassen. Ich freue mich, endlich mal ein riesiges Sägeblatt austauschen zu dürfen, die Schutzbrille aufzusetzen und loszulegen. Aber falsch gedacht. Das Zuschneiden übernimmt Andrés CNC-Fräse. In das zugehörige Computerprogramm kann man die CAD-Zeichnung einspeisen. Dann positioniere ich das Holz und schaue zu, wie die Fräse das Holz nach Maß zuschneidet. Der Anblick versöhnt mich: Ich hätte das per Hand nie annähernd so präzise hinbekommen. André erzählt mir, dass es inzwischen viele offene Werkstätten gibt, in denen man solche Maschinen stündlich mieten kann – inklusive kurzer Einführung.
2. Schleifen
Als alle Stücke von den Beinen bis zu den kleinen Holzwürfeln – die später die Anzahl der Tore zeigen – zugeschnitten sind, geht’s ans Abschleifen. Um kleine Unregelmäßigkeiten und Kratzer auszugleichen. Doch gerade bei Multiplexplatten muss ich aufpassen: Wenn ich zu viel von der obersten Schicht wegnehme, kommt die nächste zum Vorschein. Und die scheint dann dunkler durch.
André gibt mir eine Einführung: Zum einen nutze ich für einen besonders weichen Schliff drei verschiedene Körnungen. Dabei arbeite ich mich von der 120 hoch bis zu 240. Zum andern schleife ich in Richtung des Holzwuchses. Und ich achte darauf, mit der Schleifmaschine immer gleichmäßig stark aufzusetzen. So arbeite ich nicht gegen die natürliche Struktur des Materials und vermeide Unebenheiten durch Abtragen der obersten Schicht des Multiplex.
Ich streiche immer und immer wieder mit meiner flachen Hand über die Holzteile. Sie werden nach und nach samtig weich. Zwischendurch beuge ich mich runter, um meinen Blick gegen das Licht über die Fläche schweifen zu lassen. Irgendwann sehe ich keine kleinen hochstehenden Fasern mehr. Die Seiten aller Holzstücke bearbeite ich am Ende mit einem Schleifschwamm. Das geht aber genauso gut mit Schleifpapier.
3. Das Holz zeigt sein wahres Gesicht
Nach einer kleinen Pause geht es auf zum letzten Schritt des ersten Tages: Damit der Kicker auch rundum robust ist, man sich keine Splitter einfängt und das Holz bei einer umgekippten Limo nicht gleich aufquillt, mache ich mich ans Ölen. Das ist leichter als gedacht und verlangt bei Weitem nicht so viel Muckis wie das Schleifen. Ich merke jetzt schon den beginnenden Muskelkater.
Dazu nehme ich ein Stück von einem alten Baumwolllaken – das ist fusselfrei und sollte kein Muster haben – tränke es mit Leinölfirnis und arbeite ihn in Wuchsrichtung in die Holzoberfläche ein. Dann warten. Einwirken lassen. Wenn sich beim Einziehen Ölinseln bilden, sagt mir André, soll ich sie einfach am Ende aufwischen. Und die Zuschnitte sehen jetzt schon echt gut aus. Holz kann so wunderschön sein.
4. Schrauben, flexen, schrauben
Weiter geht es dann am zweiten Tag. Das Öl hatte ausreichend Zeit, gut einzuziehen.
Jetzt kann ich schrauben. Endlich. Ich will ja bald mein erstes Tor gegen André schießen. Wir bauen alles sorgfältig auf, legen die einzelnen Stücke auf den Tisch und Malerfließ auf den Boden. Es ist wichtig, dass kein Metall auf dem Holz liegt, damit am Ende keine Kratzer auf den einzelnen Stücken sind.
Erst schrauben wir die etwa 30 großen Teile und die 20 kleinen Teile zusammen: Wir beginnen mit den Beinen. Dann kommen die Seitenflächen hinzu. Und schon können wir zur Spielebene übergehen. Obwohl wir das Spielfeld beim Profizubehör (KickerKlaus) gekauft haben, ist der Zusammenbau kompliziert. Zum Glück sind wir zu zweit, das wäre ohne ein zweites Paar Hände ein Ding der Unmöglichkeit gewesen. So, das Grundgerüst steht. Jetzt können wir uns an die Teile für Tore, Ballrückführung und Zahlenanzeige machen.
Langsam, aber sicher fängt das Ganze an, nach einem richtigen Tischkicker auszusehen. Zur Stabilität setzen wir noch eine Gewindestange an der vorderen und hinteren Seite des Korpus ein. Die habe ich aus einer verzinkten Gewindestange aus Stahl (M8) passend geflext.
5. Tooooooor!
Danach fädeln wir von einer Seite die Stangen ein, schieben die Figuren drauf. Die Spielfiguren hat André in der Kunststoffschmiede im Konglomerat e.V. in Dresden eingegossen, aus recyceltem Polypropylengranulat. Dann nur die Stangen auf der anderen Seite des Tischs wieder durchfädeln, die Figuren verschrauben, Griffe auf die Stangen. Fertig.
Schon kann es losgehen. Zu zweit geht alles eben doppelt schnell. Anpfiff! Ich lasse die Griffe durch meine Finger gleiten. Dann pfeffere ich den Ball mit einem Klack erst gegen die Wand hinter dem Tor. Dann das erlösende Plopp: Der Ball verschwindet in der Versenkung. Tor! Rufe ich. Foul! Ruft André. Es ist wie damals. Nur jetzt an meinem selbst gebauten Tisch. Wir spielen noch ewig weiter.
Text: Lilith Grull | Fotos: Stephan Floss
Kick it in Bautzen!
Mehr Infos zu Andrés Manufaktur und zu den Workshops gibt es hier.