Heimwerker im Weltall
In Kopenhagen schrauben Heimwerker an einer verrückten Vision: Die Suborbitals wollen in den nächsten zehn Jahren einen Menschen in einer Rakete in das erdnahe Weltall schießen und heil auf die Erde zurückbringen. Wir haben sie in ihrer Werkstatthalle besucht.
An diesem Wintertag steht Bianca an einer Stanzzange in einer Lagerhalle im Hafen von Kopenhagen, eingepackt in einen isolierten Arbeitsoverall. In der Werkstatt der Suborbitals, einer alten Schiffswerft, stapeln sich neben Werkbänken Gerümpel und Metallschrott, alte Motoren, Computermonitore, Kabel, Werkzeug. Kälte kriecht in jeden Winkel der Halle und in die Körper von einem Dutzend Schrauber – so viele fräsen, schleifen, löten, feilen an diesem Sonntag an ihrem Raketentraum.
Bianca Turneanu
Die Frau der Schaltkreise
Vor zwei Jahren heuerte Bianca Turneanu bei den Suborbitals an – weil sie deren Mission begeisterte und sie Teil dieser verrückten Geschichte sein wollte. Die aus Rumänien stammende Technikerin studierte Robotertechnik und arbeitet derzeit an ihrer Doktorarbeit.
Der Professor
Thomas Pedersen ist kein Mann fürs Grobe, dennoch steht er am Wochenende gern an der Plasmasäge: Unter der Woche erklärt der Professor für Reinraumtechnik den Studenten, wie sich Kleinstpartikel aus der Luft entfernen lassen. Der Akademiker ist Vorsitzender des Suborbital-Vereins.
Denn: Kreativität lässt sich nicht kaufen. Uffe Ravn, 51, Vertriebler bei einem Elektrohandel und bei den Suborbitals für Funk und Elektronik zuständig, sagt: „Jeder lernt hier von jedem, denn es gibt bei uns viele talentierte Leute, die auf irre Ideen kommen.“
Der Computer im Antrieb der „Nexo“-Rakete etwa stammt aus dem Kassenterminal einer Burger-King-Filiale, das sie ausgeschlachtet haben. Das System zur Druckregulierung benutzt Trichter einer Taucherausrüstung. In vorherigen Raketenmodellen waren in den Ventilen Bremskabel eines Schrottautos verbaut. Ein Haarföhn aus dem Supermarkt hielt sie warm.
Von sechs Testraketen, die von den Suborbitals in zehn Jahren gezündet wurden, kam die Mehrzahl schrottreif zurück. Doch jeder Rückschlag brachte die Mission voran: Mit jedem Prototyp wurden Komponenten verbessert, wurde die Technik verfeinert.
Hin und wieder kommen sogar echte NASA-Techniker zu Besuch, weil sie sich diese verrückte Truppe aus der Nähe anschauen wollen. Mit Ingenieurstudenten aus Singapur machten die Suborbitals einen Workshop. In diesem Jahr werden die Schrauber ihr Raketenmodell bei der legendären Paris Air Show präsentieren.
Die Suborbitals gibt es seit 2008, das Gründerteam ist längst nicht mehr dabei, doch inzwischen schließen sich immer mehr junge Heimwerker der Mission an, weil sie die Idee cool finden. Neben Bianca auch Sophie, eine 31-jährige Computerexpertin. Sie ist Mitglied in der Hochbegabtenvereinigung Mensa (alle Mitglieder haben einen IQ von mehr als 130), die einen Besuch bei dem Suborbitals-Projekt organisierte. Sophie kam, sah und wusste: Da will ich mitmachen. Nun erstellt sie Computermodelle, die bei der Auswertung von Materialtests helfen.
Jeder Suborbital investiert etwa 30 Stunden pro Woche in sein Raketenhobby. Das sorgt nicht selten für Ärger mit der Familie. Mads Stenfatt hat immerhin das Glück, dass er seinen Beitrag auch zu Hause leisten kann, genauer: an der Nähmaschine.
Der 40-jährige Bankkaufmann zeigt den Fallschirm, an dem „Nexø II“ zur Erde zurücktrudelte. Bald könnte er selbst an einem solchen Stück Stoff hängen. Mads will in die Raumfahrtgeschichte eingehen: Er ist der aussichtsreichste von drei Kandidaten, von denen einer in der Rakete sitzen wird, die schließlich ins All fliegen soll. Was für ihn spricht: Er ist nicht allzu groß, sollte daher in die enge Kapsel passen. Und noch wichtiger: Er kann fallschirmspringen.
Mads Stenfatt
Der Fallschirmspringer
Bankkaufmann Mads Stenfatt verlor vor einigen Jahren nach einer langen Kneipennacht eine Wette, daher musste er eine Mutprobe bestehen – und machte einen Skydiving-Kurs. Dadurch hat er gute Chancen, jener Mensch zu sein, der für die Suborbitals in der Raumkapsel sitzen wird.
Mads’ Frau nimmt den Astronautentraum ihres Mannes mit Humor – noch: „Sie sagt, um in die Kapsel zu passen, muss ich erst noch ein paar Kilo abnehmen“, erklärt Mads und lacht.
Doch das sollte den Plan von Mads und seinen Mitstreitern nicht gefährden. Ein paar Jahre hat er ja noch Zeit, um leichter zu werden.
Text: Reinhard Keck | Fotos: Patrick Ohligschlaeger