Ein Herz und eine Säge
Sebastian Buchwiesers Passion: Holzskulpturen. Seine Devise: Je größer, desto besser.
Vergangenen Winter hat Sebastian die Skulptur einer Frau begonnen. Die fertige Holzfrau steht seit einigen Monaten im Garten. Jetzt ist der dazugehörige Hund an der Reihe. Sebastian zückt die Motorsäge, den Lärchenblock fest im Blick. Feiner Sägestaub fliegt in alle Richtungen, größere Späne ringeln sich auf dem Boden. Immer wieder greift Sebastian zum Smartphone. Schaut auf das Foto eines Hundes, der als Vorbild dienen soll. Langsam, ganz langsam, nimmt der Block Hundegestalt an. „Es ist immer so“, meint Sebastian, und er klingt, so sagt er, wie ein Chirurg, „erst kommt die Säge, dann das Messer. Wenn ich mit der Motorsäge einen Fehler mache, kann ich den mit dem Messer nicht wieder gut machen“.
Viele Messer, die der Bildhauer verwendet, sind durch mehrere Generationen Buchwieser-Hände gewandert. „Gutes Werkzeug macht nicht 90 Prozent des Erfolgs aus, sondern 100 Prozent“, meint er. Die Klingen stammen aus Manufakturen aus dem Tiroler Stubaital. Die hölzernen Handgriffe haben er selbst, sein Vater oder sein Großvater aus Haselnussholz maßgefertigt. „Jede Hand ist anders“, sagt Sebastian und streichelt über die abgenutzten Schäfte. Zum Schleifen der Messer nimmt Sebastian einen „Belgischen Brocken“, einen seltenen Naturstein aus den Ardennen, dann geht er mit einem Abziehleder über die Schneide.
Sebastian Buchwieser
Gern verwendet Sebastian das Wort „erschaffen“ für das, was er macht. Und wenn er von seinen „Erschaffungen“ redet, klingt es so, als spräche er über einen Freund: „Manchmal muss man die Arbeit einfach stehen lassen. Die Skulptur entwickelt sich fort. Ich entwickle mich fort. Irgendwann kommen wir beide wieder zusammen und gehen dann gemeinsam weiter.“ Das klingt philosophischer, als er das meint. Beschreibt aber ganz gut, wer er ist. „Als Bergführer ist es gut, wenn ich erst überlege, was ich mache. Die Risiken durchspiele. Abwäge. Dann handle. Oder zurückgehe.“ Bei seiner Kunst ist es ähnlich. Lange grübelt er, wie er mit einer Skulptur weitermacht. Schläft drüber. Schaut sich das Stück wieder und wieder an. Manchmal lässt er es einfach ein paar Monate stehen. „Ich bin ein Holzdenker“, sagt Sebastian dann langsam, „ich will mich nicht hetzen lassen. Bäume kann man auch nicht antreiben.“
Sebastian Buchwieser
Durch die Fenster der Werkstatt fällt der Blick auf den Hof. Dort steht eine schlanke Skulptur, die Sebastian „Seele“ genannt hat. Ein glatt geschliffener, elegant in sich verwrungener Baum. Man muss unwillkürlich über seine Oberfläche streichen. „Das war kein gut aussehender Stamm“, erinnert er sich, „aber ich wollte die Schönheit des Inneren rausholen. Ich glaube, es ist gelungen.“ Mit „Groan-Art“ zeigt Sebastian „den schönsten nachwachsenden Rohstoff der Welt“ und seine Vergänglichkeit. Wie das Wetter und das Alter ihn formen, verformen und verändern. „Ein bisschen“, grübelt er, „ein bisschen ist das Holz wie der Mensch.“
Text: Stefan Wagner I Fotos: Frank Bauer, Sebastian Buchwieser