Ein 100-Jähriger baut seine Welt
Paul Schmiedmaier aus Kärnten ist 100 Jahre alt, sägt und hämmert immer noch täglich an seiner Miniaturwelt aus Holz. Er baut seit Jahrzehnten Bauernhäuser im Kleinformat – nach Vorbildern aus seiner Kärntner Heimat. Originalgetreu, aber ohne exakte Pläne.
So manches Modell hat ihn bereits in eine Sackgasse gebracht. Dann legt er die Arbeit daran schon mal für mehrere Wochen zur Seite – und baut an etwas anderem. „Wenn eine Sache nicht funktioniert, dann muss ich den Ärger irgendwie auslagern“, lächelt Paul. Aber wenn die unteren Stockwerke fertig sind, geht es an Pauls liebste Aufgabe: den Dachstuhl bauen. „Das Dach decken, Schindeln machen. Da muss man nämlich denken“, strahlt er. Nach typischer Loibltal-Art deckt Paul seine Dächer rechts und links doppelt mit schmalen Holzbrettern.
Am Dachstuhl eines Bauernhauses arbeitet er momentan auch in seiner Werkstatt, die im ehemaligen Stall der Keusche untergebracht ist. Hier erinnern nur noch ein paar Hörner über dem Eingang daran, dass hier einmal Kühe untergebracht waren. Auf der gut gediegenen Hobelbank steht ein halb fertiges Haus. Die Wände und Decken, ebenfalls aus Lärchenholz, sind bereits zusammengenagelt.
Darüber thront der Dachstuhl. Vier dünne Leisten vertikal und fünf horizontal auf jeder Seite ergeben den Dachsparren für ein einfaches Satteldach. Die Giebel zwischen Decke und Dachkanten sind dünner als die unteren Holzblöcke und vertikal angeordnet. Paul nagelt sie an den Dachbalken fest. Die Schindel formt Paul aus Fichtenholz. Zum einen spaltet es sich viel einfacher als andere Holzsorten. Zum anderen erlauben die dabei entstehenden natürlichen Rillen, dass Regenwasser leichter abläuft. Das Werkzeug, das Paul dafür benutzt, wirkt nicht zufällig antiquiert. „Das ist ein handgeschmiedeter Schindelklieber“, kommentiert er die dünne eiserne Klinge, die von dem hölzernen Schaft in seiner Hand absteht. „Der stammt noch von meinem Urgroßvater. So etwas bekommt man heute nicht mehr.“
Er platziert die Klinge sachte auf einem Fichtenholzscheit und klopft sie mit einem Holzpflock energisch durch das Holz. Es lässt sich mühelos spalten. Die so entstandenen Schindeln montiert er mit kleinen Eisennägeln überlappend auf den Dachbalken. Drei bis vier Tage braucht Paul, um ein Miniaturhaus zusammenzusetzen. In solchen Momenten merkt er dann doch sein Alter.
Text: Susanne Gottlieb | Fotos: Sebastian Reiser