Die Nachhaltigkeitsarchitektin
Mal kurz die Welt retten? Das würde Kerstin Mayer zu gerne. Sie arbeitet als Nachhaltigkeitscoach, um sie zumindest etwas besser zu machen.
Nachhaltig leben – das wollen immer mehr. Dass man auch nachhaltig bauen kann, wissen noch nicht viele. Hier kommt Kerstin Mayer ins Spiel, Architektin und Nachhaltigkeitscoach aus Stuttgart. Was genau ihr Job ist, was sie motiviert und wie man umweltbewusst baut, erklärt sie im Interview.
Kerstins Weg
Kerstin hat Architektur und Stadtplanung studiert und drei Jahre in einem ökologischen Architekturbüro gearbeitet, das Massivholz-Häuser plant und umsetzt. Danach lernte sie Bauleitung. 2018 beschloss sie, sich beruflich in Richtung Nachhaltigkeit weiterzuentwickeln und machte eine Ausbildung zum Business-Coach. Mit dieser Erfahrung macht sie sich nun als Nachhaltigkeitscoach selbstständig und möchte ein Gemeinschafts-Büro für nachhaltiges Bauen und Leben eröffnen.
Kerstin Mayer: Ich helfe Menschen dabei, den Weg in ein nachhaltigeres Leben zu finden. Durchs „Coaching“ lernen Menschen vor allem, selbst die Lösung zu finden. Ich sage nicht „Tu dies, tu das!“, denn die Lösung für ein Problem ist in meinem Gegenüber meist schon angelegt. Ich helfe dann, Lösungsansätze und Wege zu finden, nachhaltiger zu leben. Ich unterstütze sie dabei, weniger Müll zu produzieren und den ökologischen Fußabdruck zu verringern.
Im Internet kann man sehr einfach berechnen lassen, wie nachhaltig das eigene Leben ist. Du beantwortest ein paar Fragen, und der Rechner ermittelt den Wert. Der eigene Ressourcenverbrauch wird in Tonnen angegeben. Das reicht von Stein und Beton, die in einem Haus verbaut sind, bis zu dem, was ich konsumiere. Im Durchschnitt verbraucht jeder von uns 40 Tonnen CO2 pro Jahr. Das ist viel, denn der Zielwert für 2030 liegt bei 17 Tonnen. So bliebe die Welt im Gleichgewicht. Und: Wir könnten unseren CO2-Verbrauch schon durch leichte Änderungen im Verhalten senken.
Auf jeden Fall. Wer den Neubau eines Wohngebäudes plant, sollte genau überlegen, was benötigt wird. Der Flächenverbrauch pro Kopf ist enorm gestiegen, also muss man sich fragen: Wie groß soll meine Wohnfläche sein, und wie flexibel bin ich? Sind die Kinder erwachsen und ziehen aus, könnten Eltern überlegen, wieviel Wohnfläche sie tatsächlich brauchen. Sie könnten in eine kleinere Wohnung ziehen und einer jungen Familie den Platz überlassen. Oder das Gebäude so umbauen, dass weitere Personen einziehen können.
Kerstin Mayer
Nachhaltigkeit heißt, nur so viel aus der Natur zu entnehmen, dass man nachkommenden Generationen nicht schadet. Also nur so viel, wie nachwächst. Das ist vor allem beim Bauen meist nicht der Fall. Beim Bauen und Wohnen wird zu viel Energie verbraucht. Deshalb sollte man darauf achten, welche Materialien genutzt und welche Energiequellen verwendet werden.
Holz, ganz klar! Viele denken da zuerst an die Holzständerbauweise, bei der Leerflächen zwischen den Balken anschließend „gestopft“ werden. Solche Leichtbau-Wohnhäuser sind in Deutschland aber nicht sehr beliebt. Man will lieber etwas Massives, das bleibt. Also rate ich zu Massivholzbauweise, die ist auch sehr nachhaltig. Der Vorteil: Pro Kubikmeter Holz entzieht man der Atmosphäre rund eine Tonne schädliches CO2 – und spart die Emission von circa einer Tonne CO2 in der Betonproduktion. Resultat: zwei Tonnen CO2 je Kubikmeter Holz. Ein großes Plus! Wer Holz verbaut, nimmt einen Teil des CO2 aus der Atmosphäre. Es „lagert“ praktisch im Haus, treibt nicht den Klimawandel an. Und: Holz wächst nach, Beton dagegen wird extrem energieaufwendig hergestellt.
Bei Beton wird das gerade diskutiert. Dafür muss aber viel neuer Zement beigemischt werden. Das lässt die Energiekosten schnell wieder steigen. Wer unbedingt eine Klinkerfassade möchte, kann schauen, ob ein Ziegelwerk Ausschussmaterial anbietet – so tut man gleich etwas für die Entsorgung.
Was ist Nachhaltigkeit?
Nachhaltigkeit ist Bestandteil einer verantwortungsbewussten Lebensführung – und damit Bestandteil unseres Alltags. Geprägt wurde der Begriff jedoch ursprünglich in der Forstwirtschaft zu Beginn des 18. Jahrhunderts und besagte, dass nicht mehr Holz gefällt werden solle, als nachwachsen könne. Heute umfasst der Begriff – neben den ökologischen Themen – auch wirtschaftliche oder soziale Aspekte, wie Menschenrechte oder Arbeitnehmerbelange.
Das Öko-Thema begleitet mich bereits mein ganzes Leben. Ich habe schon als Kind Unterschriften gesammelt, etwa gegen den Walfang. Ich habe da schon das Gefühl gehabt, dass wir auf unsere Welt aufpassen müssen. Ich achte sehr darauf, meinen Müllverbrauch zu reduzieren. Als vor zehn Jahren mein erstes Kind auf Welt kam und vor zwei Jahren mein zweites, hat mich das sehr angespornt. Ich habe gemerkt, wie wichtig es ist, unsere Welt jetzt zu schützen und nicht erst in zehn Jahren. Damit unsere Kinder später keine Probleme haben, ein gutes Leben zu führen. Kein Leben im Luxus, sondern ein Leben in Sicherheit, mit genügend Essen und einem Dach überm Kopf.
Kerstin Mayer
Mir ist klar geworden, dass das, was jeder von uns beruflich tut, große Auswirkungen auf die Welt hat. Ich möchte die Energie, die ich beruflich einsetze, auch für das Ziel verwenden, das ich in mir trage: eine gute Zukunft für unsere Kinder. Deshalb lautet mein erstes Etappenziel: Innerhalb der nächsten fünf Jahre will ich 1000 Menschen dazu verholfen haben, ihr Leben nachhaltig zu gestalten.
Interview: Esther Acason, Catharina König / Foto: Julia Zürn