Das Schloss aus Scherben und Schotter
Tiefstapeln ist nicht Steffen Modrachs Sache. Eher hoch. Und übereinander: Seit mehr als acht Jahren arbeitet er täglich an Schloss Lilllliput. Sein Baumaterial: Scherben, Schuhe, Schmuck und Schotter.
Steffen Modrach
„Als Kind – ich bin in der DDR aufgewachsen – habe ich mich immer gefragt: Warum sind die Häuser alle grau und eckig? Warum nicht rund und bunt?’“ Er wollte ein Haus, das alles anders macht.
In der DDR brachten ihm solche verrückten Ideen – und davon hatte Modrach einige – viel Ärger. Zum Beispiel die Einweisung in die Nervenklinik. Der Ausbruchsversuch – erst aus der Anstalt, dann aus dem Arbeiter- und Bauernstaat – endete vor dem Lauf einer Kalaschnikow. Es folgten Jahre im DDR-Gefängnis, danach der Versuch, ein bürgerliches Leben zu führen, als Schreiber für Tageszeitungen, als Kranfahrer, Hausmeister, Pfleger. Nach der Wende wird es turbulenter. Modrach schlägt sich als Pilot in Australien durch, als Zauberkünstler und als freischaffender Autor für Bücher aller Art. Was über all die Jahre bleibt und weiter in ihm keimt, ist der Traum vom runden und bunten Haus. Er wächst zum Traum vom eigenen Schloss.
Einen Bruder im Geiste findet er in Friedensreich Hundertwasser, dem „Gegner der geraden Linie“ und jeglicher Standardisierung, dem Freund der Lebendigkeit und Individualität. Modrach liest alles, was er über den architektonischen Vordenker in die Finger bekommt, mietete sich sogar für zwei Jahre in die Grüne Zitadelle in Magdeburg ein, das letzte Projekt, an dem Hundertwasser bis zu seinem Tod arbeitet. Schließlich ist er bereit für sein eigenes Werk und legt los.
Dass sich diese Verfahrensweise nicht mit dem deutschen Baurecht deckt, ist Modrach bewusst. Aber er weiß auch: Für Kunstwerke gelten Ausnahmeregelungen. Dass Schloss Lilllliput längst ein Kunstwerk ist, haben mittlerweile auch die lokalen Politiker und Nachbarn erkannt. Und allen anderen, die immer noch glauben, Modrach hätte nicht alle Tassen im Schrank, zeigt er gerne einen besonderen Platz in seiner Schlossmauer. Rechter Hand vom Eingangstor hat er einen offenen Schrank installiert. Randvoll mit Tassen.
Text: Jens Wiesner / Fotos: Lucas Wahl