Das Reich zum Rasen
Für die einen ein Dachboden, für Matthias Gent der Ort, um seinen Traum zu verwirklichen: ein komplettes Stockwerk für seine Carrerabahn.
Das Werk
Früher ein vollgerümpelter Dachboden, zwei Räume auf rund 100 Quadratmetern. Heute die Heimat einer gigantischen Carrera-Bahn: die Bahnplatte,10 Meter mal 2,80 Meter, für eine Carrera-Fahrbahn, die sich auf insgesamt 38 Meter erstreckt. Platz zum Carrera-Fahren gibt es also mehr als genug. Für die Pausen zwischen den Rennen gibt es einen 45 Quadratmeter großen Loungebereich mit Sofa, Fernseher, Soundanlage, Spielekonsolen, Stehtischen und Barhockern. Das Beste: die Schrauberecke. Hier können die Rennautos einen Boxenstopp einlegen und wieder auf Vordermann gebracht werden.
Der Zugang zum mitunter gut besuchten Reich der Rennautos: eine eigens dafür angelegte Außentreppe.
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Der Macher und seine Motivation
Matthias Gent, 47 Jahre alt, selbstständiger Fleischermeister aus der Nähe von Magdeburg. Zwölf Stunden ist er täglich für seinen Job außer Haus und stellte eines Tages fest: Er brauchte einen Ausgleich. Ihm fiel die Carrera-Bahn ein, die er als Kind besessen hatte. Und was für ein gutes Gefühl es ihm gegeben hatte, die kleinen Rennwagen Stunde um Stunde Runden drehen zu lassen. Das war der Startschuss für Matthias’ erstes eigenes Bauprojekt: Der Dachboden war perfekt geeignet, nur noch nicht ausgebaut. Aber das handwerkliche Können dafür besaß er: Schon als Fünfjähriger stand er mit seinem Vater am Zementmischer und durfte in der Werkstatt mit anpacken. Als Erwachsener schaute er sich von den vielen Handwerkern, die im Laufe der Jahre in seinem Einfamilienhaus vorbeikamen, die Handgriffe ab – und probierte es beim Bau seiner Carrera-Bahn einfach selbst aus.
Die Umsetzung
Schritt eins: die zwei zusammenhängenden Dachbodenräume ausmessen und ausbauen. In einem Raum sollte die Carrera-Bahn sein, im angrenzenden Raum eine Lounge entstehen. Wichtig war Matthias vor allem, dass die Bahnplatte von allen Seiten erreichbar war. Dafür war genug Platz. Der nächste Arbeitsschritt: Entrümpeln des Dachbodens – und anschließend die Renovierung. Zuerst verkleidete er die Wände mit Gipskartonplatten, dann waren die Fußböden an der Reihe: Die legte Matthias mit OSB-Platten aus, dann mit Linoleum. Sah schon mal ganz gut aus. Zwischendurch verlegte er die Elektrokabel zwischen den Wänden, um später Lampen und Steckdosen anbringen zu können.
All das brauchte seine Zeit, rund ein Dreivierteljahr. Schließlich machte er fast alles im Alleingang – bei der abgehängten Decke über der Bahn half ihm ein Freund. Und falls er doch mal ein zweites oder drittes Paar Hände brauchte, war seine Familie zur Stelle. Ansonsten transportierte er alles, was er an Baumaterial brauchte, durch eine kleine Holzbrettluke – rund 1,50 Meter mal 1 Meter groß – von außen über eine Leiter in das Innere des Dachbodens.
Dann ging es an den Innenausbau: den Tisch für die riesige Bahnplatte aufzubauen. Den Anfang machte das Gestell, das Matthias aus Kanthölzern zuschnitt und verschraubte. Dann setzte er die OSB-Platten obendrauf und schraubte alles fest. Darauf kamen dann ein grünes Vlies und die Carrera-Bahn, zusammengesteckt aus vielen Einzelteilen. Dauerte nicht mal zwei Wochen.
Fertig war sein persönliches Carrera-Reich, dachte sich Matthias, nachdem er es sich in seinem Loungebereich mit ein paar Möbeln gemütlich gemacht hatte. Nicht ganz. Inzwischen hatte sich im Freundeskreis und in der Nachbarschaft herumgesprochen, woran er da seit Monaten arbeitete. Und Matthias wollte sie gern einladen. Nur sollten sie über Leiter und Luke einsteigen oder jedes Mal quer durch sein ganzes Haus laufen? Viel zu umständlich. Also besorgte sich Matthias noch eine gebrauchte Außentreppe. Setzte die rund 1000 Einzelteile in sechswöchiger Arbeit zusammen, unterstützt von seinem Schwiegervater. Ein Krandienst hob die knapp zwei Tonnen schwere Treppe für ihn an, er machte alles fest. Dann endlich war alles fertig, rund zwei Jahre nach dem ersten Hammerschlag.
Der Preis
Ein ganzes Stockwerk für sein Hobby ausbauen – sicher nicht ganz günstig, aber es hat sich gelohnt. Und die rund 1000 Stunden Arbeit hätte er auch mit anderen Dingen verbringen können. Wollte er aber nicht: Ihn macht das alles glücklich.
Text: Esther Acason | Fotos: Matthias Gent