Sommer 2020. Den Schulabschluss in der Tasche. Und jetzt? Charlotte und Janne, beide 18 Jahre alt, wollen raus. Doch die geplante Neuseelandreise ist abgesagt. Da beschließen die beiden: Dann bauen wir eben gemeinsam was. Sie leben in Potsdam, Wasser gehört hier zum Leben dazu. Also soll es ein Hausboot werden. Das kennen sie, das lockt sie: Frei fühlt man sich damit, ein bisschen Abenteuer ist auch dabei. Davon wollen sie jetzt mehr. Gleich nach den letzten Prüfungen legen sie los. „Wir sind da zuversichtlich und auch ziemlich naiv rangegangen“, berichtet Charlotte, „Schritt für Schritt haben wir dazugelernt, was geht und was man darf – und was eben nicht.“

„Wichtig für uns beim Projekt ist das gemeinsame Bauen. Es muss nicht perfekt sein und nicht auf Anhieb alles klappen“, erklärt Janne. Geplant haben sie eigentlich nichts, gestehen die beiden. „Wir haben eben geguckt, was uns gefällt, was erlaubt ist und was wir bezahlen können“, fasst Charlotte zusammen.

Los geht’s mit der Unterkonstruktion. „Wir dachten, wir besorgen uns einfach ein paar dieser blauen PE-Fässern, in denen sonst Lebensmittel transportiert werden, und bauen ein Gerüst drauf“, erinnert sich Janne. Heute weiß er: So geht’s nicht, denn PE-Fässer halten nur Druck von innen aus, aber nicht den Wasserdruck von außen. Damit bekommt ein Hausboot keine amtliche Zulassung. Und ohne amtliche Zulassung darf man auf öffentlichen Gewässern nicht fahren. „Wir haben letztlich eine fertige Unterkonstruktion gekauft“, seufzt Charlotte. Es musste sein, denn bei aller Lust am Improvisieren: Was bringt ein Hausboot, mit dem man nicht ablegen darf? 4000 Euro hat das gekostet inklusive des Aluminiumaufbaus – die größte Investition des ganzen Projekts.

Während der Schwimmkörper gefertigt wird, machen sich Charlotte und Janne an das Herzstück: Das Haus! „Wir haben Jannes altes Stelzen-Spielhaus aufgearbeitet. Upcycling quasi“, erzählt Charlotte. Die Stelzen gekappt, das kaputte Dach entsorgt, die Latten frisch gestrichen. So konnte sich das alles schon sehen lassen. Der Innenausbau? Denkbar einfach: Zwei Kisten rechts und links sind nicht nur Stauraum, sie sind auch die Stützen für ein Brett, das nachts aufgelegt wird und als Bett dient. Die Fenster? Bleiben ohne Glas, der Eingang ohne Tür. Gegen die Mücken werden abends Moskitonetze gespannt.

Endlich! Die Unterkonstruktion ist zur Abholung bereit. Und die wird zur Herausforderung: Fünf Meter lang und 2,50 Meter breit ist der Schwimmkörper, und steht in der Feldberger Seenlandschaft, etwa 150 Kilometer nördlich von Potsdam. „Erst mussten wir einen Hänger finden, der groß genug ist. Dann jemanden, der uns so ein Monster fährt“, berichtet Charlotte. Ihr Vater macht es, der hat einen BE-Führerschein, und so bringen sie das 400 Kilo schwere Teil schließlich am Steg ihrer alten Schule in Hermannswerder, wo sie fürs erste umsonst einen Liegeplatz nutzen dürfen, zu Wasser. „Das war schon Luxus“, freut sich Janne. Um das Haus darauf montieren zu können, soll nun soll auf dem Aluminiumgestell eine Plattform entstehen. „Wir haben Terrassenbau-Tutorials auf YouTube angeschaut“, erklärt Charlotte, „und genauso haben wir es gemacht, mit Terrassenholz.“ Nur wie verbindet man Alu und Holz? Genau: Mit Flügelbohrschrauben, die sich ihr Gewinde selbst bohren. Die sind aber teuer. Die Alternative: Mit dem Gewindeschneider und einem Satz normaler Schrauben. Klappt auch. Und ist günstiger.

Mit der Unterstützung von Familie und Freunden hieven sie schließlich das Haus auf die Plattform. Wegen der besseren Wasserlage montieren sie es im hinteren Teil. Als begehbares Dach verbinden sie zwei Siebdruckplatten von 2 cm Stärke mit einem T-Profil verbunden, stützen es zusätzlich mit einem Querbalken.

Und der Antrieb? Bis zu 3 PS darf ein Motor haben, damit man ohne amtliche Zulassung fahren darf. Bis zu 15 PS verlangen zwar eine Zulassung, aber immerhin keinen Motorbootführerschein. Charlotte und Janne entscheiden sich für einen 8 PS-Außenborder, eingehängt in ein Holzgerüst am Heck. Gesteuert wird mit einer Pinne. Das Problem: Wer steuert, muss hinten sitzen. Die Lösung: Die Pinne wird verlängert, damit man auch im Stehen von der Leiter steuern kann!

Vor dem Start steht die amtliche Zulassung an. Nicht ganz einfach, denn zuerst muss ein Gutachten die Fahrtauglichkeit des Hausboots bescheinigen. Doch dann geht es endlich los. Bei Regenwetter legen Charlotte und Janne ab. Die große Reise nach dem Abi, sie führt am ersten Tag nur 500 Meter weit. Die beiden verkriechen sich im Haus vor dem Regen, warten. Dann die Wende. Am nächsten Tag scheint die Sonne. Charlotte und Janne genießen die erste große Tour, vier Wochen, auf ihrem selbst gebauten, ganz eigenen Hausboot, kommen bis zur Mecklenburgischen Seenplatte. Und danach? „Wir suchen noch einen günstigen Liegeplatz“, berichten sie. Denn die erste war bestimmt nicht die letzte Reise.

Text: Katrin Viertel | Fotos: Charlotte und Janne