Bauen wie im Mittelalter
Die Herausforderung: Eine Burg zu bauen. Aus Stein, Holz, Erde, Sand und Ton. Mit Techniken des 13. Jahrhunderts. Beobachtet von Hunderttausenden Fans.
Das Projekt: Eine mittelalterliche Burg aus Naturstein, Holz und Erde zu bauen. Die Schwierigkeit: Erlaubt sind nur Methoden, Materialien und Hilfsmittel der damaligen Zeit. Rund 40 Handwerker haben sich darauf eingelassen. Und bauen wie die Urväter. Unter den Augen von Hunderttausenden Schaulustigen.
Arbeit in rund 25 Metern Höhe
Dadurch ist Baptistes Arbeit wie eine Art Naturstein-Puzzle, das unter seinen Händen entsteht. Mal schließt der Stein perfekt eine Lücke, mal muss er erst mehrmals gedreht werden, bis die ideale Position gefunden ist. Erst wenn er die einzelnen Brocken harmonisch zusammengefügt hat, kommt der Mörtel ins Spiel, um das Sandstein-Puzzle für die Ewigkeit zu fixieren. Es ist eine mühsame Arbeit. Die Stirn des Maurers ist längst von Schweißperlen übersät.
Baptiste Fabre
Ein riesiges Hamsterrad als Lastenaufzug
Was für ein komplexes Gebilde eine mittelalterliche Mauer ist, hat auch Maurer Baptiste erst bei der Arbeit verstanden. Genormte Ziegel mit glatten Kanten gibt es da nicht. Man braucht viele verschiedene Techniken, um eine gute Statik zu erzeugen. „Das Innere der Mauern, die bis zu drei Meter dick sind, besteht aus eng aneinander gelegten kleinen Steinen, dem Abfall der Steinmetzarbeiten. Sie stabilisieren zusammen mit nach innen ragenden großen Steinen die Wand und sichern sie gegen Druckeinwirkungen von außen ab“, erklärt der Franzose, der gerade auf rund 25 Meter Höhe die letzten Maurerarbeiten am Kapellen-Turm abschließt. Immer wieder prüft er mit der traditionellen Setzwaage, einem gleichschenkligen Holzdreieck mit einem pendelnden Senkblei in der Mitte, ob die Steine einigermaßen gerade liegen. Im Mittelalter hatte man noch keine Wasserwaage. Sein Kollege Nicolas Touchefeu kommt vorbei, um nach dem Stand der Dinge zu sehen. Der Zimmermann wird bald hier oben übernehmen, um auf den Turm den Dachstuhl zu bauen.
Bauholz aus dem Eichenwald der Region
Ziegeln aus Lehm und Wasser
Gebrannt werden sie erst einige Tage später – bei 1000 bis 1200 Grad. Fünf selbst gebaute Öfen und einige Jahre hat es gebraucht, bis die Ziegel perfekt gelangen. „Das ist ein gutes Beispiel für den Geist von Guédelon: Bei uns darf auch etwas misslingen. Wir kennen oft nicht die perfekte Technik und müssen daher erst Lösungen finden. Klappt der erste Versuch nicht, fangen wir von vorne an. Immer wieder und solange, bis es funktioniert. Wo ist heute so ein Lernen aus Fehlern noch erlaubt?“, fragt Marilyn Martin.
Die Französin ist Co-Initiatorin des Projekts und begleitet die mittelalterliche Baustelle seit der Planungsphase im Jahr 1997. Sie war es auch, die von Anfang an die Investoren auf eine sehr lange Bauzeit einschwor. Insgesamt werden es wohl 30 Jahre werden, bis die Burg ganz fertig gestellt sein wird. Es soll ein Herrschaftshaus mit runden Ecktürmen und Trockengraben im Stil König Philipps II. von Frankreich werden. „Im Mittelalter wurden solche Burgen in zwölf bis 15 Jahren errichtet", sagt Marilyn. „Die Handwerker des 13. Jahrhunderts wussten eben genau, wie es geht. Und sie hatten auch keine Touristen zu Besuch.“
Marilyn Martin
In rund zehn Jahren soll die Burg von Guédelon fertig sein
Text: Barbara Markert | Fotos: Stéphanie Füssenich